Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
über den kräftigen Vorderbeinen erhob sich der Oberkörper eines Mannes mit breiten Schultern und mächtigen Muskeln, die einen deutlichen Gegensatz zu dem Alter bildeten, das sich im Gesicht und an dem kurzen grauen Haarkranz zeigte. Hinter ihm kam das passende Weibchen dazu, das zarter gebaut war und ein blankes schwarzes Fell hatte. Die Hinterbacken waren mit weißen Tupfen bestirnt wie ein klarer Nachthimmel.
Wie ungewöhnlich. So ein Pferd hätte ich auch zu gern.
Erschrocken fuhr Toulac zusammen und hoffte, dass sie das nicht übertragen hatte! Sie musste Veldan bitten, ihr das Zielen und Abschirmen beizubringen. Das war dringend. Sie dirigierte ihren eigensinnigen Verstand auf einen sicheren Pfad, indem sie sich auf den menschlichen Anteil der … Frau? Weibchen? Verzweifelt überlegte Toulac, was wohl der rechte Ausdruck wäre.
Myrial im Schweinekübel! Hoffentlich mache ich nicht zu viele Schnitzer.
Wie immer das weibliche Wesen zu bezeichnen war, sie war schön, auch wenn sie nicht mehr jung war. Ihr langes silbergraues Haar war zu einem kunstvollen Knoten aufgesteckt, und ihr strahlender Teint und ihre zarte Statur würden immer herrlich aussehen, ganz gleich, wie alt sie noch werden würde. Toulac dachte an ihr eigenes Gesicht, das vom Leben im Freien runzlig und vom Wetter gebräunt war, und knirschte mit den Zähnen.
Aber ich möchte mal sehen, wie sie mit einem sieben Fuß großen Berserker fertig wird, der eine Streitaxt schwingt.
Dieser Gedanke baute sie wieder auf.
Der Archimandrit blieb am Fuß des Turmes stehen und ließ die anderen herankommen. Raffinierter Scheißer, dachte Toulac säuerlich. Während ihrer langen Laufbahn als Söldnerin hatte sie verschiedene Anführer solche kleinen Machtspiele spielen sehen, und jedesmal ging es ihr gegen den Strich. Als sie näher kam, musterte sie Cergorns Gesicht und versuchte, Einblick in seinen Charakter zu gewinnen. Sie vermutete Weisheit und Witz und eine enorme Willenskraft.
Mit dem würde ich nicht gern in Streit geraten, das ist mal sicher. Und wenn er auch unten herum ein Pferd ist, so wette ich, dass er stur wie ein Esel sein kann.
Abwartende Stille hatte sich über die Szene gebreitet. Nur die Insekten summten, und die Vögel sangen. Aller Aufmerksamkeit war auf das Treffen gerichtet, das sich unter dem Turm abspielte. Dann breitete Cergorn die Arme aus, als wollte er sie alle darin einschließen, und brach das Schweigen. Er sprach laut und gleichzeitig in Gedanken. »Veldan, Elion, Kazairl«, rief er. »Willkommen daheim.« Die Kälte des Tonfalls strafte seine Worte Lügen.
Toulac sah, wie Veldan sich versteifte.
»Und auch ihr seid willkommen, Fremde«, sagte der weibliche Zentaur. Ihre Stimme klang melodiös und leise.
Ich hätte schwören können, dass sie so klingt.
Toulac biss die Zähne zusammen und neigte achtungsvoll den Kopf. »Ich danke euch für die freundliche Begrüßung«, sagte sie. »Es ist mir eine Ehre, hier zu sein.«
Der Archimandrit sah zu ihr herüber. Sie merkte ihm an, wie er sie scharfsinnig abschätzte und sich ein Urteil bildete. »Ganz recht«, erwiderte er knapp. »Syvilda wird dich begleiten und dir zeigen, wo du dich ausruhen und frisch machen kannst, während ich mit meinen Wissenshütern spreche.« Unverzüglich wandte er diesen seine Aufmerksamkeit zu, und die Neuankömmlinge waren kurzerhand entlassen. Einmal mehr biss Toulac die Zähne aufeinander. Während sie darum rang, ihre schäumende Wut unter Verschluss zu halten, griff Veldan verstohlen nach ihrer Hand. »Nutze die Möglichkeit, dich zu erholen«, sagte sie und gab sich keine Mühe, ihre Gedanken abzuschirmen. »Ich komme zu dir, sobald ich mit dem Archimandriten gesprochen habe.«
»Dann bis bald, mein Mädchen«, antworte Toulac laut und tat ihr Bestes, um die Worte in Gedanken zu übertragen. »Ich kann es gut gebrauchen, die Füße ein wenig hochzulegen.« Als sie vom Rücken des Feuerdrachen herunterrutschte, drehte Kaz den Kopf, und sie meinte ein amüsiertes Glitzern in seinem Blick zu erkennen.
Als der weibliche Zentaur – Syvilda, wie sie sich erinnerte – auf sie zukam, fing sie Elions Gedanken auf. »Der andere Fremde ist Zavahl, der ehemalige Hierarch von Callisiora. An deiner Stelle, Syvilda, würde ich ihm die Binde nicht abnehmen, bis du ihn irgendwohin gebracht hast, wo er nicht nach draußen sehen kann. Und ganz entschieden würde ich fürs Erste nur Menschen in seine Nähe lassen. Wir müssen ihn behutsam mit
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