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Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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war. In diesem Augenblick überkam sie ein so gewaltiger Hass auf Presvel, dass es sie fast umwarf.
    Dann siegte ihr gesunder Menschenverstand. Zu allererst mussten die Freunde sie finden. Sowie Presvel sich abwandte und Annas hinaufhob, bückte sie sich und riss einen Streifen von ihrem bereits zerschlissenen Rocksaum ab. Den rollte sie hastig auf und verbarg ihn in der hohlen Hand, als ihr Entführer sich wieder umdrehte. »Jetzt steige ich hinauf«, sagte er, »dann ziehe ich dich hoch.«
    Rochalla knirschte mit den Zähnen. Er wusste nur zu gut, dass sie nicht weglaufen würde, solange Annas in seiner Gewalt war. Es kostete ihn mehrere Springversuche, bis er die Stange zu fassen bekam, und dann hing er da und trat mit den Füßen, bis sich sein Gesicht vor Anstrengung verzerrte. »Steh nicht einfach da rum«, knurrte er durch die Zähne. »Hilf mir.«
    Rochalla wünschte sich sehnlichst eine Waffe, solange er in dieser hilflosen Lage war, doch sie stützte seine Füße und stemmte ihn, bis er rittlings und wackelig auf der rostigen Stange saß. Dann streckte sie die Arme hinauf, ließ sich an den Handgelenken packen und zu ihm hochziehen. Presvel bekam heftig balancierend die Kante der Öffnung zu fassen und zog sich hinein. Rochalla blieb nur ein Augenblick zum Handeln. Hastig band sie den Stoffstreifen an die Stange, sodass er wie ein Banner im Wind flatterte, der beständig durch den Tunnel pfiff. Sie schob ihn nah an die Wand, wo Presvel ihn von seiner Öffnung aus wahrscheinlich nicht sehen würde, und bis er sich zu ihr umdrehte und ihr die Hand entgegenstreckte, war sie fertig und konnte ihm mit einem treuherzigen Blick begegnen.
    Beeil dich, Tormon. Mach schnell und finde uns – bevor es zu spät ist.
     
    In Myrials Tempel war Gilarra inzwischen überzeugt, dass ihr Volk nicht mehr zu retten war. Für die Flüchtlinge war das Leben zu einem Albtraum geworden. Trotz der heldenhaften Anstrengungen Kaitas, Shelons und ihrer Helfer breitete sich die Krankheit schnell aus und sorgte für unerträgliche Zustände, auch bei jenen, die noch verschont geblieben waren. Soldaten wurden in den grausamen Dienst gepresst, die Toten durch die oberen Höhlen hinauf zum Ausgang auf dem Gebirge zu tragen. Man konnte kaum etwas tun, um sie auf ungefährliche Art loszuwerden; nicht einmal einen konnte man begraben oder verbrennen, geschweige denn so viele. Es blieb ihnen nichts übrig, als sie über die Kante in den Abgrund zu werfen. Wahrscheinlich würden die fliegenden Bestien und andere Aasfresser die grausigen Überreste beseitigen, doch für die Überlebenden war es entsetzlich, ihre lieben Anverwandten einem so würdelosen Ende auszuliefern, und das vertiefte nur die Trauer jener, die schon so viel durchlitten hatten.
    Gilarra wusste nicht, was sie noch tun sollte. Galveron war nicht zurückgekehrt und sie war krank vor Sorge. Was war aus dem kostbaren Ring geworden, den sie ihn geschickt hatte zu holen, und was aus dem Hauptmann selbst? War er ums Leben gekommen? Wie auch vielen anderen im Tempel fehlte ihr sein bestimmendes Auftreten, sein Talent, für reibungslose Abläufe zu sorgen, sein verlässlicher Verstand und die leichte Hand, mit der er die Leute zu führen wusste.
    Ohne ihn war die Hierarchin verloren. Sie war mit ihrer Weisheit am Ende, wenngleich sie die Menschen noch zu trösten versuchte, die schon durch die räuberischen Ungeheuer ihre Familie verloren hatten und nun weitere Verluste durch die Krankheit erlitten. Im Tempel war es durch den Gestank und das Wehklagen kaum noch erträglich. Die Gesunden trauerten voller Entsetzen, während die übrigen, die sich die Krankheit zugezogen hatten, litten und zumeist starben. Nur eine Hand voll überlebten, und im Allgemeinen die, die von kräftiger Statur und besser genährt gewesen waren, wenngleich sie als erbärmliche Schatten daraus hervorgingen.
    Um die Verbreitung der Krankheit aufzuhalten, versuchten die Heiler strenge Sauberkeitsregeln durchzusetzen, aber ihre Vorsichtsmaßnahmen waren unmöglich einzuhalten. Kaita wollte, dass alles Trinkwasser vorher abgekocht würde, aber sie hatten nicht genügend Brennstoff. Schon waren alle hölzernen Möbel und andere brennbare Gegenstände von den Feuern in der Behelfsküche verschlungen, und andere Möglichkeiten wurden knapp. Auch gab es keine Seife und nichts, woraus man welche herstellen konnte. Man war zusammen eingeschlossen und konnte nirgendwohin, während draußen die Dämonen noch immer die Stadt

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