Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
über damit beschäftigt gewesen, ihren neuen Wagen zu bauen und auszustatten – mit Rochallas Hilfe natürlich, ganz zu schweigen von Annas, die ihnen immerzu auf die Finger sah und sagte, wie sie es richtig machen müssten.«
Toulac lachte. »Dieses Kind wird es weit bringen!«
Seriema nickte. »Rochalla bedeutet außerordentlich viel für Annas. Natürlich ist es nicht dasselbe, wie die eigene Mutter bei sich zu haben – aber Rochalla macht ihre Sache ausgezeichnet, und Annas liebt sie bis zum Irrsinn.«
»Sind eure anderen Besucher noch da?«
»Ja«, sagte Cetain. »Du bist die Letzte, Toulac. Darum war Scall so außer sich.«
»Wie geht es Blank – ich meine, Amaurn? Und wie geht es Zavahl?«, fragte Seriema. »Du wirst im Beisein der anderen nicht über Gendival sprechen wollen, darum will ich lieber jetzt alles wissen.«
»Du würdest Amaurn nicht wiedererkennen. Er ist nicht mehr das kalte, umtriebige Ungeheuer, das er einmal war«, erzählte Toulac. »Nun da er heimkehren konnte und der Archimandrit geworden ist, wie er es immer wollte – und besonders seit er mit seiner Tochter vereint ist –, ist er ungeheuer milde geworden. Doch wenn einer der Wissenshüter so unklug ist und ihm in die Quere kommt, sehen wir den alten Hauptmann Blank noch einmal aufblitzen. Und was Zavahl angeht – also, der ist trunken vor Glück mit seiner Ailie, und nur soviel sei gesagt, er macht sich als Gastwirt viel besser, als er als Hierarch je gewesen ist!«
Inzwischen näherten sie sich der Festung, und mit ungestümem Geschrei kam Scall ihnen entgegen durch das Tor gerannt. »Toulac! Du hast sie gebracht! Du hast sie doch noch zu mir gebracht!« Er umarmte die Stute und tätschelte sie, und obwohl sie im Stall des Schattenbundes verwöhnt worden war, schien sie sich über das Wiedersehen sehr zu freuen.
Toulac zog dem Tier eine Grimasse. »Undankbares Gör!« Dann überließ sie die beiden ihrer Wiedersehensfreude und ging mit Seriema und Cetain hinein. Im Hof traf sie ein verblüffender Anblick: ein brandneuer Wagen, größer als der vorige, und doppelt so bunt war er auch. Der Hauch frischer Farbe hing noch in der Luft, und aus dem Innern hörte man es hämmern. Als sie um die Rückseite herumgingen, streckte Tormon den Kopf durch das Fenster. »Toulac! Welche Augenweide für einen alten Mann! Hast du denn Scalls Stute mitgebracht?«
»Kann keiner mehr über was anderes reden als dieses blöde Pferd?«, brummte sie, aber sie grinste dabei.
Später, nachdem Scall von der Seite seiner geliebten Braunen losgeeist werden konnte, versammelten sie sich zum Abendessen bei einem Becher Wein in Cetains Räumen. Rochalla, die sich mit Annas dazugesellt hatte, war das blühende Leben. Offenbar bekam es ihr gut, Scalls Frau zu sein, und die alte Söldnerin vermutete, dass Annas bald einen kleinen Spielgefährten bekommen würde.
Es gab noch eine Anzahl anderer Besucher. Toulac war nicht nur gekommen, um das Pferd zu bringen, sondern auch um Quave zu treffen, der den Winter in Tiarond bei Heilerin Kaita verbracht hatte, um sie neue Erkenntnisse der Wundbehandlung und Krankheitserkennung zu lehren. Mit ihr zusammen hatte er auch die Seuche, die im Tempel so viele das Leben gekostet hatte, restlos besiegt. Amaurn ließ – mit äußerster Besonnenheit – durch die Wissenshüter bestimmte Kenntnisse in der Welt verbreiten, beschränkte dies aber darauf, was den verschiedenen Völkern Myrials beim Wiederaufbau ihres Lebens nützlich sein konnte. Allerdings hatte er beschlossen, das Wissen über Sprengpulver und andere Stoffe, die leicht als Waffe gebraucht werden konnten, zurückzuhalten.
Kaita war mit Quave bis zur Rottenfestung gereist, weil Shelon, aus dem ein hervorragender Stellvertreter geworden war, bedingungslos darauf bestanden hatte, dass sie die Gelegenheit zum Entspannen nutzte. Ihre Augen funkelten vor Vergnügen, als sie Toulac von ihren neuen Helfern erzählte: Felyss und Gelina und – zu jedermanns Überraschung – Packrat. Neuerdings gewaschen und gekämmt und das Haar ordentlich geschnitten, war von dem schmuddeligen Dieb, wie er seinerzeit im Tempel aufgetaucht war, fast nichts mehr zu sehen. Doch er war immer bereit gewesen, den Heilern zur Hand zu gehen, und hatte sich seitdem wissbegierig und teilnahmsvoll gezeigt. Shelon, der die Neuen ausbildete, hielt ihn tatsächlich für viel versprechend – und wenn Kaita auch bemerkte, wie sein Blick immer wieder auf Felyss ruhte, so würde sie ganz bestimmt
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