Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
nichts dagegen sagen. Das hatten die beiden untereinander auszumachen.
Mit Kaita war auch Agella gekommen. Sie wollte ihrem Neffen Lebewohl sagen, ehe er sich mit Tormon auf die Rundreise ins Frühjahr und den Sommer begab. Die Schmiedin und die Heilerin hatten während der unheilvollen Tage von Tiarond so gut und geschickt zusammengearbeitet, dass sie inzwischen die besten Freundinnen waren und zu den wichtigsten und angesehensten Mitgliedern des Rates gehörten, den Galveron und Aliana ins Leben gerufen hatten, damit er den Aufbau der verwüsteten Stadt und des Landes leitete.
Diese beiden, der ehemalige Hauptmann und die frühere Diebin, jetzt Herrscher über Callisiora, waren ebenfalls mit Kaita und Agella geritten – vermutlich auf Alianas Betreiben, dachte Toulac. Galveron, gewissenhaft wie immer, hätte Tag und Nacht gearbeitet und seine Kräfte innerhalb eines Monats erschöpft, wenn seine neue Lebensgefährtin nicht wäre. Sie besaß nämlich genügend Einfluss auf ihn, um derlei Neigungen einen Riegel vorzuschieben, und sorgte dafür, dass er sich die Zeit nahm, um sich zu erholen – und mit ihr zusammen zu sein. Angeblich waren sie gekommen, um sich mit Cetain und Seriema zu beraten, und hatten sich im Laufe des Winters mit ihnen angefreundet – wenn man auch Cetain mehr als einmal sagen hörte, dass er sich bald nicht mehr einen Rotten nennen dürfe, da er sich mit den Städtern befreunde, anstatt sie bei jeder Gelegenheit auszurauben.
Alle waren entzückt, einander wiederzusehen, und verbrachten einen sehr geselligen Abend damit, sich des schicksalhaften Tages zu erinnern, der sie alle unter Myrials Tempel zusammengeführt hatte, und tauschten dabei sämtliche Neuigkeiten aus. Es bestand kein Zweifel, dass ein Band zwischen den Menschen entstanden war, die an jenem bedeutsamen Tag dabeigewesen waren, ganz gleich aus welchen Gründen sie sich in die unterirdischen Gänge gewagt hatten. Kaita und Agella waren zwar oben im Tempel gewesen, hatten die Abenteurer aber bei ihrer Rückkehr in Empfang genommen, sodass das Band auch sie einschloss. Wie Toulac herausstellte, schien ihr Zusammentreffen mehr als Zufall gewesen zu sein, denn gewiss waren sie nun diejenigen, die die Verantwortung für das künftige Wohl des Reiches übernommen hatten.
Kaita goss sich den letzten Schluck Wein in ihren Becher. »Weißt du, Toulac, ich habe mir oft über dieses zufällige Zusammentreffen Gedanken gemacht«, sagte sie. »Ich werde niemals den Morgen vergessen, wo Gilarra sich opferte, um uns ein Wunder zu verschaffen. Ich bin nie gläubig gewesen, und wir alle wissen jetzt, dass es Myrial nicht als Gottheit gibt, wie die Callisioraner immer geglaubt haben – aber ich kann mir nicht helfen: War es wirklich ein Zufall, dass wir alle wenige Stunden nach dem Opfer der Hierarchin gerettet wurden? Hat Gilarra ihr Leben verschwendet, um etwas herbeizuführen, das ohnehin geschehen wäre? Oder sind ihre Gebete irgendwo in unbekannter Höhe erhört und ihr Opfer angenommen worden?«
Ihren Fragen folgte langes Schweigen. Die Söldnerin hob die leere Flasche, schielte hinein und stellte sie wieder hin. »Das«, so sagte sie schließlich, »ist die Art Betrunkenengeschwätz, die mir unmissverständlich sagt, es ist Zeit, ins Bett zu gehen.«
Es war ziemlich spät am Morgen, als Toulac sich in Mazals Sattel setzte und sich auf den Heimweg machte, zusammen mit einem bemerkenswert wortkargen Quave. In Quaves Kopf wummerte es noch ein wenig, obwohl Kaita, die gute Seele, ihm ein Gebräu eigener Erfindung eingeflößt hatte, nach dem man sich augenblicklich besser fühlte – so sehr, dass er beim Reiten leise vor sich hin pfiff. Es war nett gewesen, all die Neuigkeiten zu hören, aber er konnte es kaum erwarten, wieder bei seinen Freunden im Schattenbund zu sein, und außerdem lebte es sich in Gendival neuerdings sehr angenehm.
Es war erstaunlich, wie sich der Schattenbund nach den anfänglichen Verstimmungen und Streitereien doch zusammengerauft und Amaurn als neuen Anführer angenommen hatte. Die plötzliche Wiederherstellung der Schleierwand hatte die Zweifler nachhaltig zum Schweigen gebracht, und seitdem tat jeder sein Erstaunen kund, als welch weiser und umsichtiger Anführer sich Amaurn der Abtrünnige erwies. Veldan und Toulac jedoch und ein oder zwei andere hegten den vagen Verdacht, dass er sie in falscher Sicherheit wiegte und früher oder später noch einmal gegeneinander aufhetzen würde – aber was er
Weitere Kostenlose Bücher