Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit

Titel: Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
zurückzuversetzen, mit allem Pomp und Reichtum, er hätte ihm ins Gesicht gelacht.

 
     
    Scall ritt hilflos durch die Dunkelheit, hin und her gerissen zwischen Wut und Angst. Er konnte den Griff des Überbringers spüren, der seine Wünsche nichtig machte, seine Gedanken tief in ihm gefangen hielt. Er zwang ihn auf dem Pferd sitzen zu bleiben und durch den Sturm zu reiten, fern von sicherem Schutz und vertrauter Umgebung, fern von dem Händler und Rochalla und all seinen Hoffnungen auf eine neue Zukunft für sich.
    Innerlich wütete er gegen Kalt.
    Wie kann er mir das nur antun? Ich habe ihm vertraut! Welches Recht hat er, mich so von Tormon und den anderen fortzureißen?
    Unter dieser Wut nagte jedoch die Angst an ihm. Wenn er nur Kalts Gesicht sehen könnte. Das hätte ihm einen Hinweis auf den Gemütszustand seines Entführers gegeben. Aber dessen Züge waren hinter der Knochenmaske verborgen, und so fand der Junge keine Antwort auf seine Fragen. Warum war Kalt überhaupt weggerannt, wo er doch Grimms Mörder hätte bloßstellen können und ihn, Scall, als Zeugen gehabt hätte? Das war unverständlich. Warum hatte er ihn auf die Flucht mitgenommen? Wenn er entkommen wollte, konnte doch ein Gefangener nur hinderlich für ihn sein.
    Was hat er mit mir vor? Wohin bringt er mich? Was wird mit mir geschehen? Werde ich meine Freunde je wiedersehen?
    So sehr er um sich selbst Angst hatte, so sehr war er auch um die anderen besorgt; besonders um Rochalla, die die Veränderung, die mit Presvel vor sich gegangen war, nicht bemerkt hatte. Presvel war nun gefährlich und unberechenbar wie ein wildes Tier. Er hatte Scalls wegen auf der Lauer gelegen und ihn bedroht. Er hatte den alten Überbringer umgebracht. Tormon hatte Scall gewarnt, sich vor dem Mann in Acht zu nehmen, und er hatte Recht gehabt, aber das tatsächliche Ausmaß der Gefahr konnte auch er nicht ahnen. Presvel war es immer schwerer gefallen, mit einem Leben ohne die Bequemlichkeit und Sicherheit von Tiaronds Mauern zurecht zu kommen. Es war offenkundig gewesen, sogar für Scall, dass sein inneres Gleichgewicht mit jedem Schritt, der ihn von der Stadt fortbrachte, weiter gestört wurde, und jetzt schien es, als habe er den letzten Rest gesunden Verstandes verloren. Rochalla war mit ihm in der Rottenfestung eingeschlossen, ohne dass sie die Gefahr ahnte – und er, Scall, konnte sie nicht warnen.
    In diesem Augenblick verabscheute er Kalt von ganzem Herzen. Sein einziges Ziel musste es nun sein, den rechten Augenblick abzupassen – nicht dass es viele Möglichkeiten gab – und die Flucht zu ergreifen. Der Überbringer würde ihn doch sicher nicht ewig auf diese unnatürliche Weise beherrschen können. Scall würde bereit sein müssen, sobald sich eine Chance bot. Er betrachtete die verhüllte Gestalt, die vor ihm ritt und durch den treibenden Schneeregen kaum zu erkennen war.
    Du solltest aufpassen, Kalt. Ich habe nicht vor, ewig dein Gefangener zu bleiben!
    Nur die schwache Hoffnung, dass er irgendwie von ihm wegkommen könnte, hielt ihn davon ab, in Verzweiflung zu versinken.
    Leider hielt die unnachgiebige Umklammerung des Überbringers die bittere Kälte nicht von ihm fern. Scalls Ohren, Kinn, Zehen und Finger schmerzten. Der Wind schien ungehindert durch seine nassen Kleider zu blasen und machte nicht eher Halt, als bis er auf seinen Knochen angelangt war. Was ihm jedoch noch mehr Sorgen bereitete, war das Elend seiner kleinen Stute. Für dieses raue Wetter war sie von viel zu zarter Rasse und hatte nicht das zottige Fell, das die Tiere der Rotten die Unbill der wilden Landschaft überstehen ließ. Auch fehlte ihr alle Robustheit und Zähigkeit. Nach dem langen Ritt von Tiarond hatte sie Erholung bitter nötig gehabt, und nun war sie vom Kampf gegen Kälte und Sturm erschöpft. Er spürte, wie sie zitterte, und fragte sich, wie lange sie noch laufen würde, ehe sie zusammenbrach. Scall konnte ihr Leiden kaum ertragen. Wenn sie irgendeinen Schaden nähme, würde er einen Weg finden, um Kalt dafür büßen zu lassen, und wenn er sein ganzes Leben damit zubringen müsste.
    Alle Gedanken an Flucht, an die Freunde und sogar an sein geliebtes Pferd verflüchtigten sich, als sein Entführer mit ihm dicht an die Grenze des einzigen Landes zog, das er je gekannt hatte. Wenngleich er natürlich von der Schleierwand gehört hatte, so hatte er sie doch nie gesehen, und die Geschichten darüber hatte er nur halb geglaubt. Nun erstreckte sich vor ihm die vielfarbige

Weitere Kostenlose Bücher