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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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anderen Ende fläzte sich Dopey Benny Fein, der berüchtigtste Schläger auf der ganzen Lower East Side. Ein Mann, der die Kühnheit (manche sagten auch Dummheit) besaß, eine gedruckte Preisliste seiner Dienste als Schläger und Rausschmeißer auszuteilen. Und zwischen Kid und Dopey Benny saß der König der Lower East Side, Meyer Minsky.
    Sascha kannte Meyer Minsky schon vom Sehen, aber er konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Sicher, Kid Klezmer war schlank und gut aussehend, nach Art seines Onkels Mordechai, wie es vor allem Mädchen gefiel. Dopey Benny wiederum wäre ein stattliches Mannsbild gewesen, wenn seine Nase nicht so oft gebrochen worden wäre, weshalb seine Stimme so klang, als hätte er chronischen Schnupfen.
    Meyer Minsky hingegen entsprach genau Saschas Vorstellung davon, wie ein echter Mann auszusehen hatte. Minsky war unter den Ärmsten der Armen auf den Straßen der Lower East Side aufgewachsen. Davon war heute aber nichts mehr zu sehen. Er trug die besten Anzüge, die man für Geld und Magie bekommen konnte, und er besaß die Haltung eines Gentleman. Und doch flößten seine breiten Schultern Respekt ein, selbst wenn er in Bettlerlumpen umhergegangen wäre. Dies und das stolze Funkeln in seinen blauen Augen bedeuteten jedem, der sich ihm näherte:
Andere Juden mögen ja arm und schwach sein, aber nicht ich. Respektiere mich und wir kommen bestens miteinander aus. Verweigerst du mir diesen Respekt, wirst du bereuen, jemals geboren worden zu sein.
    Sein ruhiger, aber unbezwingbarer Stolz hatte Meyer Minsky zum Idol aller Jungen in ganz New York gemacht – auf der Lower East Side aber kam er einem König gleich. Meyer Minsky war ein waschechter jüdischer Volksheld. Vielen Bewohnern der Lower East Side galt er als ehrenwerter Mann. Wenn andere ihn einen Kriminellen nannten, erwiderten sie, er sei doch ein netter jüdischer Junge, der seine Mutter achtete und anständigen Mädchen Sicherheit auf den Straßen garantierte. Kam dann der Einwand, er benutze Magie, was ein frommer Jude niemals täte, lautete die Gegenfrage, ob man etwa den Iren und Italienern die Herrschaft auf der Straße überlassen wolle. Hieß es, der Mann sei gefährlich, verwiesen sie darauf, dass Juden seit zweitausend Jahren verfolgt und zur Schlachtbank geführt wurden, nun sei es an der Zeit, dass für sie ein gefährlicher Mann in den Vordergrund trete.
    Und so herrschte Meyer Minsky über die Lower East Side, lebte wie ein moderner König David und war bei seinen Untertanen beliebter als jeder echte König. Gewiss, der Besitzer des Café Metropol hätte sein Schutzgeld auch an irische Gangster gezahlt, denn der harten Wirklichkeit entkam niemand. Er hätte gezahlt, aber er hätte sich auch dafür geschämt. Hingegen machte es ihn stolz, Meyer Minsky zu bezahlen. Und wenn der große Boss im Hinterzimmer des Metropol zu speisen geruhte, beruhigte das die anderen Gäste und ließ sie freier atmen.
    Sicher, jetzt zur Mittagszeit sah Minsky weniger wie ein moderner jüdischer Kriegsfürst aus. Er saß einfach nur mit Freunden ganz entspannt beim Essen. Als Wolf das Zimmer betrat, sah ihn Minksy vorwurfsvoll an, als wollte er ihm sagen, auch ein Inquisitor sollte so viel Takt besitzen, Geschäft und Vergnügen nicht zu vermischen.
    Dennoch begrüßte er sie zuvorkommend, wies den Kellner an, drei weitere Gedecke zu bringen, und plauderte höflich, bis der Kellner wieder gegangen war. Dann wandte er sich an Wolf: »Was kann ich für dich tun, Max?«
    »Oh, reden wir uns jetzt mit Vornamen an?«, bemerkte Wolf und deutete ein Lächeln an. »Ich glaube, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war unser Verhältnis nicht so herzlich.«
    Meyer Minsky lachte vergnügt. »Aber Max, wir waren damals beide jung und hungrig. Ein Mann, mit dem man in Armut befreundet ist, der bleibt ein Freund fürs ganze Leben. Im Übrigen, selbst wenn ich dich hassen würde, Max, müsste ich doch einen Polizisten achten, den ich nicht kaufen kann!«
    »Und alle anderen kannst du kaufen?«, fragte Wolf schelmisch. »Ich dachte, Mr Morgaunt hätte dich in dieser Hinsicht schon ausgestochen.«
    »Ja, das Problem liegt darin, dass sie nicht ein für alle Mal gekauft sind. Sie halten einfach nur so lange still, bis ein anderer mit einem besseren Angebot kommt. Könntest du nicht einmal mit Keegan reden, ob er bessere Schurken anheuern mag?«
    »Ich bezweifle, dass die Polizei die Mittel hat, loyale Schurken zu bezahlen«, gab Wolf zu bedenken.

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