Der Schattenjäger (German Edition)
Kampf verwickelt, ist es seine Pflicht, sie zu beschützen.«
»Apropos Frauen, wie geht es eigentlich Shen Yunying? Eine ungewöhnlich schöne Frau, ich hatte eine Zeit lang sogar den Eindruck, ihr beide könntet –«
»Das ist alles vorbei«, sagte Wolf hastig, als wollte er jede weitere Erwähnung von Shens Namen vermeiden.
Sascha warf einen Seitenblick auf Lily, die aussah, als würde sie gleich platzen. Sie verehrte ihre Kung-Fu-Lehrerin wie eine Heldin. Für sie war Shen die neuzeitliche Verkörperung der wandernden Shaolin-Mönche des chinesischen Kaiserreiches. Und sie hatte allerhand törichte Vorstellungen über Shen und Wolf. Wenn die Rede darauf kam, tat Sascha sein Bestes, diese fixe Idee zu zerstreuen. Er wusste, dass Lily sich und ihre Neugier nach dieser vielversprechenden Andeutung kaum zurückhalten konnte.
»Tatsächlich«, fuhr Wolf fort, »bin ich heute gar nicht deinetwegen gekommen«, nun wandte er sich an Kid Klezmer, »sondern wegen Mr …«
»Murray Gellman«, stellte sich Kid vor. »Und weswegen wollten Sie mit mir sprechen?«
»Wegen Naftali Asher.«
»Was ist mit dem?«, fragte Gellman errötend.
»Er ist tot«, lautete Wolfs lapidare Antwort.
Gellman sprang auf, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht plötzlich ganz bleich.
»Setz dich wieder hin«, riet ihm Minsky.
»Nein«, rief Gellman, »warum soll ich andere in mein Unglück hineinziehen? Es wäre besser, ich gehe jetzt, ganz still und leise.«
»Es wäre besser«, sagte Minsky in einem Ton, der keine Widerrede duldete, »du würdest tun, wozu dir deine Freunde raten.«
Gellman setzte sich so rasch, dass Sascha meinte, dem Musiker seien vor Angst die Knie weich geworden. Wie dem auch sein mochte, Wolf hatte seine Aufmerksamkeit schon wieder auf Minsky gerichtet.
»Du wusstest, dass Naftali Asher tot war, noch ehe ich die Lokaltür geöffnet hatte, oder Meyer?« Wolfs Frage klang fast schon wie eine Beschuldigung.
»Was glaubst du? Wenn so etwas geschieht, bekomme ich immer Wind davon, ehe es die Polizei erfährt.«
»Du hättest mich ja informieren können!«
»Warum? Ich dachte, du wärst wegen des Pentacle-Streiks gekommen. Seit wann interessieren sich Inquisitoren für einen toten Juden?«
Wolf widersprach Meyer in diesem Punkt nicht. Sascha fand das klug, denn nach allem, was er aus seiner Lehrzeit in der Inquisitionsabteilung der New Yorker Polizei wusste, hätte Wolf lediglich erwidern können, dass sich die Polizei generell um den Tod armer Leute, egal ob jüdisch oder nichtjüdisch, nicht die Bohne scherte.
Unterdessen hatte Kid Klezmer genug Mut gefasst, sich Minskys Anordnung zu widersetzen. Er erhob sich wieder und streckte Wolf beide Hände entgegen, bereit, sich Handschellen anlegen zu lassen. »Werfen Sie mich doch gleich in die Gruft des NYPD , dann sind Sie mich los! Ich bin zwar unschuldig, Gott ist mein Zeuge, aber niemand wird mir glauben. Und wenn Naftali Asher einem magischen Verbrechen zum Opfer gefallen ist, dann wird mich in dieser Stadt kein Anwalt vor dem elektrischen Stuhl retten können.«
»Wieso glauben Sie das?«
»Weil ich drüben in Russland vor dem ganzen
Schtetl
geschworen habe, Naftali Asher umzubringen, und wenn ich ihn bis nach Amerika verfolgen müsste.«
Wolf sah Gellman mit großen Eulenaugen an. Dann nahm er die Brille ab und suchte nach einer sauberen Stelle auf seiner Krawatte, um die Gläser zu putzen. Da er keine fand, zog er einen Hemdzipfel hervor und putzte sie damit. Danach stand er mit aus der Hose hängendem Hemd und schiefer Krawatte vor Gellman, blinzelte ihn an und fragte dann in die Runde: »Ob ich wohl eine Tasse Kaffee bekommen könnte? Es sieht ganz so aus, als würde dies eine längere Geschichte werden.«
»Ja, für mich auch«, schloss sich Kid Klezmer an. Er klang schon zuversichtlicher als eben noch. »Und den Kaffee mit einem Schuss Sliwowitz. Die Geschichte hat es nämlich in sich. Übrigens, haben Sie etwas dagegen, dass Meyer zuhört?«
»Kann ich das verhindern?«, fragte Wolf.
Meyer lächelte und zog an seiner Zigarre. »Ich wollte die Geschichte um nichts in der Welt verpassen«, schmeichelte er mit einer Stimme, die so seidenweich war wie der Stoff seines dreiteiligen Anzugs.
»Tja«, begann Kid Klezmer, nachdem der Kaffee serviert war und die Kellner das Zimmer verlassen hatten, »ich wurde in einem Schtetl unweit von Schitomir als der älteste Sohn einer berühmten Familie von Klezmorim geboren. Von meiner Geburt bis zu meinem
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