Der Schattenjäger (German Edition)
wie das wohl wäre, wenn Shen und sein Großvater sich zusammensetzen und über Magie diskutieren würden, aber er kam nicht an dem Gesicht seines Großvaters vorbei, das dieser machen würde, wenn er von einer Frau hörte, die in der Öffentlichkeit Hosen trug.
»Gut«, sagte Wolf schließlich. »Ich werde noch etwas darüber nachdenken. Geh du zu Shens Kung-Fu-Unterricht, dort lernst du die Disziplin, die du brauchst, falls du deine Meinung zur Magie doch noch änderst.« Er zögerte einen Augenblick und fuhr dann fort: »Und sie kann dir Dinge beibringen, die dir helfen, deine Talente zu entfalten, welche das auch immer sein mögen.« Er grinste. »Aber sie ist die beste Lehrerin, die du haben kannst – und der verständnisvollste Mensch, den du finden kannst.«
»Warum –«, Sascha hielt inne, denn er wollte nicht neugierig erscheinen.
»Frag ruhig«, ermunterte ihn Wolf. »Ich bin gerade in redseliger Stimmung, obwohl ich weiß, dass du gleich zu Lily laufen und ihr alles berichten wirst.«
»Warum hilft Shen Ihnen? Nach allem, was geschehen ist?«
»Du meinst, warum sie dem überheblichen Trottel hilft, der den Mord an ihrem Mann nicht verhindern konnte? Ich weiß es nicht. Vielleicht tut sie es aus Mitleid. Falls du je herausfindest, welche Gründe diese Frau für ihr Handeln hat, dann sag es mir einfach.«
8 Menschenjagd
Auf dem langen Weg bis zum Hauptquartier der Magischen Werktätigen fragte sich Sascha die meiste Zeit, ob sie Moische Schlosky wohl im Büro antreffen würden – und die übrige Zeit dankte er dem Himmel, dass seine Schwester Beka an einem Werktag ganz bestimmt nicht dort sein würde.
Im Allgemeinen war Moische Schlosky ein freundlicher und fröhlicher junger Mann, aber als er die Tür öffnete und sah, wer ihn da besuchte, stemmte er die Hände in die Hüften, stellte sich in den Weg, soweit dies bei seinem schmächtigen Körper überhaupt möglich war, und sagte mit saurer Miene: »Wie schön, Sie schon wieder! Wen soll ich denn jetzt umgebracht haben?«
»Niemanden«, beschwichtigte Wolf, »ich wollte lediglich ein paar Fragen –«
»Aha. Jetzt brauchen Sie nicht einmal mehr einen Vorwand, Morgaunt schickt Sie einfach so her, um uns einzuschüchtern?«
»Wenn wir gekommen wären, um Sie einzuschüchtern, in wessen Auftrag auch immer, würden wir sicher nicht artig an Ihre Tür klopfen und um Einlass bitten.«
»Hm«, machte Moische verächtlich, gab aber den Weg frei.
»Ich bin hergekommen«, sagte Wolf und schaute sich dabei zerstreut um, »weil ich dringend mit Ihrem Bruder Sam sprechen muss.«
Kaum war Sams Name gefallen, änderte sich Moisches Miene schlagartig. Der arglose und fast schon bemitleidenswert nette Ausdruck seines hageren Gesichts versteinerte, seine Augen verengten sich, der Mund gefror zu einer schmalen Linie und der ganze Körper erstarrte, mit Ausnahme der nervös zuckenden Finger.
Sascha hätte beinahe laut losgeprustet vor Lachen. Nie zuvor hatte er jemanden so verlegen gesehen, als hätte man ihn wie einen Fünfjährigen beim Bonbonstehlen ertappt.
»Ich habe ihn nicht gesehen«, behauptete Moische. »Warum? Sollte ich?«
»Ich weiß nicht«, sagte Wolf. »Was glauben Sie denn, was ich Sie fragen würde,
wenn
Sie ihn in letzter Zeit gesehen hätten? Gibt es etwas, was Sie mir sagen möchten?«
»Keineswegs!« Moisches Finger zuckten hartnäckig. »Sehe ich etwa so aus, als ob ich Ihnen etwas zu erzählen hätte?«
»Schon, irgendwie … meine Güte, wie sieht es denn hier aus? Hat Keegan seine Männer geschickt, um den Laden auf den Kopf zu stellen?«
Sascha blickte sich im Büro um und fragte sich ebenfalls, ob die Inquisitoren Moische bereits einen Besuch abgestattet hatten. Überall auf dem Boden lagen Bücher und wild verstreute Papierstapel. Aber beim genaueren Hinsehen erkannte Sascha, dass die meisten Blätter gerade erst frisch aus der Druckerpresse gekommen waren und zusammengeschnürt auf Freiwillige warteten, die sie in die Stadt trugen und dort an Passanten verteilten. Wolf nahm ein frisch gedrucktes Flugblatt vom Stapel.
SKANDALÖS!, lautete die Schlagzeile, LESEN SIE ALLES ÜBER J. P. MORGAUNTS ILLEGALE TRICKS, UM DIE GEWERKSCHAFTEN ZU ZERSCHLAGEN.
»Was sind das für illegale Tricks?«, wollte Lily wissen.
»Nun«, erläuterte Moische nicht ohne Stolz, »wir haben Beweise, dass Morgaunt nicht nur Streikbrecher, sondern auch einen Magier angeheuert hat, der seit Monaten für ihn auf Vorrat produziert. Der Magier ist
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