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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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so mächtig, dass er die Arbeit von Hunderten von Werktätigen ersetzen kann – und den Pentacle-Streik wirkungslos werden zu lassen!«
    »Hören Sie, Moische«, setzte Wolf erneut an, »ich muss wissen –«
    »Wer der Magier ist? Das sage ich Ihnen nicht. Kein Wort kommt über meine Lippen!«
    »Lassen wir doch den Magier beiseite«, sagte Wolf. »Wo ist Sam?«
    »Das sage ich erst recht nicht!«, sagte Moische trotzig.
    Wolf seufzte. »Ich könnte Sie in Haft nehmen, bis Sie reden. Aber das käme Ihnen vermutlich gerade gelegen, um bei Ihren Genossen von der IMW als Märtyrer der Revolution dazustehen.«
    »Als ob ich dazu Ihre Mithilfe nötig hätte!«, erwiderte Moische mit stolzgeschwellter Brust. »Damit Sie es wissen, ich bin schon dreimal im Gefängnis gewesen.«
    »Aber natürlich«, sagte Wolf. »Und weswegen?«
    »Ich habe vor den Toren der Pentacle-Textilfabrik Reden über die Rechte der magischen Werktätigen gehalten.«
    Wolf verlor allmählich die Geduld. »Moische, ich muss mit Sam reden, und Sie wissen offensichtlich, wo er sich aufhält.«
    »Das habe ich nie gesagt!«
    »Aber Sie wissen es doch.«
    »Ich wüsste nicht, dass ich irgendetwas zugegeben hätte!«
    »Moische!«, rief Wolf laut. »Schluss jetzt!«
    »Sie brauchen nicht zu schreien«, sagte Moische gekränkt.
    »Wissen Sie, wo sich Sam aufhält? Ja oder nein!«
    »Wenn Sie darauf bestehen – ja.«
    »Und?«
    »Und ich darf es Ihnen nicht sagen. Schauen Sie mich nicht so an, ich habe es versprochen.«
    »Sam ist in Gefahr«, sagte Wolf inständig. Er konnte die Enttäuschung über Moisches Unwilligkeit nicht zurückhalten. Zumal Sascha nur zu gut wusste, dass Keegan Moische sofort zum Verdächtigen machen würde, wenn Wolf ihn zur Vernehmung mitnehmen würde. »Wenn ich mit ihm sprechen kann, ist das nur zu seinem Besten.«
    »Tut mir leid, ich kann nicht«, beharrte Moische zaghaft. »Aber ich verrate Ihnen etwas. Sam wird sich bald zu Wort melden. Wir brauchen nur noch einen Journalisten zu finden, den Morgaunt noch nicht gekauft hat. Dann wird Sam reden. Und ich verspreche Ihnen, was er zu sagen hat, wird Morgaunt als intriganten Verbrecher entlarven!«
    Wolf schien genug zu haben. Er steckte Bleistift und Papier wieder ein, ohne mehr als ein paar Kritzeleien gemacht zu haben, und schon standen er und seine Lehrlinge wieder im Treppenhaus.
    »Pst!«, machte Moische, als Sascha Wolf und Lily die Stufen hinunter folgen wollte.
    Sascha legte einen Finger an seine geschürzten Lippen, aber Moische war für diskrete Hinweise nicht geschaffen, bei ihm musste es stets ein Wink mit dem Zaunpfahl sein.
    »Hat Beka dir von dem kleinen Gefallen erzählt, um den wir dich bitten wollen?«, flüsterte Moische ziemlich laut. Sascha dankte seinem Glücksstern, dass Lily schon ein halbes Stockwerk tiefer angelangt war.
    »Nein«, war seine Antwort.
    »Dann komm heute Abend rauf, dann sage ich dir, worum es geht.«
    »Wahrscheinlich komme ich spät nach Hause.«
    »Dann komm eben morgen, auf jeden Fall aber vor dem Wochenende.«
    Sascha seufzte nur und stieg ohne ein weiteres Wort die Treppe hinab.
     
    Die restliche Woche stellte Wolf ganz Manhattan auf den Kopf bei der Suche nach Sam Schlosky – oder genauer gesagt, er suchte so gründlich, wie es möglich war, ohne Sam zum Verdächtigen bei Keegan oder, noch viel schlimmer, für die Zeitungen zu machen.
    Sie fragten in jedem Krankenhaus, jedem Hotel, jeder Pension und billigen Absteige nach ihm. Sie sprachen mit allen, die Sam je gekannt, und mit vielen anderen, die ihn nie gekannt hatten. Naftali Ashers Garderobier blieb verschwunden, als hätte der Allmächtige ihn vom Himmel herab gegriffen und gut versteckt.
    Donnerstagmorgen machte Wolf noch eine letzte Runde durch die Absteigen der Bowery, und nachdem auch dieser Versuch ergebnislos blieb, ging er, wie Sascha beobachtete, gedankenverloren Richtung Norden. Als sie sich von Süden kommend dem Washington Square näherten, füllten sich die Straßen mit den Geräuschen und Klängen des Stoffhandels. In den hohen Räumen der Fabrikgebäude surrten die Nähmaschinen. Aus den Fenstern, die auch im Februar stets offen standen, damit die Wärme der Dampfbügeleisen und der Maschinen abfließen konnte, drangen die lauten Stimmen der Schneider und Tuchhändler hinaus auf die Straße. Pferdegespanne rumpelten über das Kopfsteinpflaster und parkten in zweiter Reihe vor den Textilfabriken, wo breitschultrige Lastenträger die schweren Tuchballen zu

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