Der Schattenprinz
alles aufschreiben und für immer behalten.«
Er war überrascht, aber ich sah seinem Gesicht an, dass er sehr glücklich war.
»Danke!«, sagte er. »Du hast mir wirklich sehr geholfen. Dafür werde ich dir auch helfen in die glückliche Stadt, die jetzt unglücklich ist, zu kommen. Es ist ein Geheimnis, aber dir darf ich es verraten. Wenn du auf der unsichtbaren Leiter bist, darfst du sie auf keinen Fall verlassen, wenn du in das Nebelreich kommst. Denn das ist gefährlich. Wenn du sie verlässt, musst du für immer dort bleiben. Dein Weg führt durch den Nebel, in dem die Nebelgestalten leben. Sie werden dich rufen und versuchen dich von deinem Weg abzubringen. Hör nicht auf sie, denn alles, was sie sagen, ist Lüge. Sei vorsichtig. Diese Gestalten sind aus Alpträumen gemacht und besitzen eine große Magie. Sie können ihre Stimmen so verändern, dass du denkst, du hörst deine Mutter. Sie können sich so verändern, dass du zum Beispiel glaubst deinen Großvater zu sehen. Glaub ihnen nicht, es ist alles Lüge. Und jetzt geh. Die unsichtbare Leiter wartet auf dich.«
Die unsichtbare Leiter
Die Leiter war stabil. Ich war überzeugt, dass ich sie ohne Schwierigkeiten hochklettern konnte. Aber kaum war ich ein paar Sprossen nach oben gegangen, da rutschte ich auch schon wieder runter.
Der alte Mann lachte, denn er sah sofort, wo das Problem lag. Ich hatte keine Schuhe an, nur Socken. Mir fiel nichts Besseres ein, als die Socken auszuziehen. Ich steckte sie in die Hosentasche.
»Auf Wiedersehen! Und vielen Dank, elender Elender«, sagte ich, aber ich sagte es ins Leere. Der elende Elender war so überraschend verschwunden, wie er gekommen war.
Ich sah nur den Prinzen, der immer noch nach der unsichtbaren Leiter suchte.
»Komm her!«, schrie ich. »Ich habe die Leiter schon gefunden!« Ich musste einige Male rufen, bevor er mich hörte. »Komm schnell! Ich gehe schon mal voraus. Damit du die Leiter findest, binde ich einen Socken an die unterste Sprosse.« Das tat ich und begann die unsichtbare Leiter hochzuklettern.
Ich war schnell. Als ich nach unten schaute, sah ich, dass die Bäume schon kleiner geworden waren. Dann hörte ich jemanden schnaufen. Das ist bestimmt der Prinz, dachte ich. Ich blieb stehen, um auf ihn zu warten. Das Schnaufen wurde lauter und lauter. Aber etwas war merkwürdig. Die Stimme näherte sich nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Deshalb schaute ich nach oben und sah einen großen Riesen, der mir entgegenkam. Er hielt einen Besen in der Hand. Das Schnaufen war gar kein Schnaufen. Es war das Geräusch, das Besen beim Kehren machen. Und dann fiel mir etwas auf, das mich zum Lachen brachte. Jede Sprosse, die der Riese nach unten ging, wurde er kleiner. Als er neben mir stand, war er nur noch so groß wie ein kleiner Zwerg.
Ich unterdrückte mein Lachen und sagte zu ihm: »Einen schönen Guten Tag wünsche ich Ihnen.«
»Den Ring vom Ringfinger muss man auf den sechsten Finger stecken«, gab er zur Antwort und kletterte mit seinem Besen weiter nach unten. Je weiter er sich entfernte, desto kleiner wurde er.
Ich verstand nicht, was er mit dem Ring vom Ringfinger gemeint hatte. Und noch weniger verstand ich das mit dem sechsten Finger.
Ich kletterte noch eine Zeit lang nach oben. Dann wurde ich ein bisschen müde. Ich horte wieder Schritte. Aber diesmal von unten nach oben. Wieder war es nicht der Prinz, sondern der Zwerg mit seinem Besen. Das war gut. So fragte ich ihn: »Was bedeutet dieser komische Satz mit dem Ringetauschen?«
»Man muss den Nebelball aufhalten, sonst vernichtet er die Welten«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen.
Dann kletterte er mit seinem Besen weiter nach oben. Je höher er stieg, desto größer wurde er, bis er ein riesengroßer Riese geworden war.
Nun hörte ich wieder Schritte. Wieder von unten nach oben. Diesmal war es der Prinz.
»Hast du meinen Socken mitgebracht?«, fragte ich ihn gleich.
»Davon hast du nichts gesagt«, erwiderte er.
Ich wollte schon richtig böse werden. Zuerst hatte ich mir meine neuen Schuhe zerkratzt, dann musste ich sie stehen lassen, und nun hatte ich auch noch einen Socken verloren. Meine Mutter würde bestimmt schimpfen. Ich wollte wirklich etwas sehr Böses zum Prinzen sagen. Aber da kam der Riese, der sich in einen Zwerg verwandelte, wieder daher. Ganz böse schrie ich ihn an: »He, du Blödmann, was bedeutet das mit dem Ring und dem Nebelball?«
»Wer im Spiegel etwas sehen will,
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