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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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das weiß ich genau.«
    Sie hielt inne, unterdrückte die Tränen und nahm Levins Brief zur Hand. »Das ist nicht das erste Mal, dass ich einen solchen Brief bekomme. Vor ungefähr zehn Jahren fand ich eines Tages vor meiner Zimmertür einen Brief von Alvin. Er verabschiedete sich und sagte, dass er für eine Zeit weggehen müsse. Eine wichtige Aufgabe, die nur er vollbringen könne. Er versprach mir, zurückzukehren … und dann – würde alles gut werden.«
    Sie begann zu weinen. Levin schob unsicher seine Hand über den Tisch und griff nach der ihren. Sie wehrte sich nicht. Er wusste nicht, wie fest er sie halten musste, ob er sie streicheln oder nur berühren sollte. Wie ein ahnungsloser Junge kam er sich vor. Doch sein Trost schien bei ihr anzukommen. Elena schöpfte Kraft für die nächsten Worte, die sie mit leerem Ausdruck sagte: »Er kam nicht mehr zurück.«
    Der schwerste Teil schien hinter ihr zu liegen. »Über ein Jahr lang habe ich gewartet und gebangt. Ich habe Thanos angefleht, mir zu sagen, wo Alvin war. Er sagte nur, dass ich warten müsse. Bald würde ich alles erfahren. Es waren die furchtbarsten Monate meines Lebens. Ich erfuhr immer nur das, was man auf Briangard redete. Angeblich hatte Alvin in Alsuna Leute um sich versammelt. Manche sagten, er würde gegen seinen Vater intrigieren. Aber ich glaube etwas anderes.«
    Levin schaute sie fragend an.
    »Ich glaube, er wollte sich seine Unsterblichkeit verdienen. Du schaust verwundert. Aber so war es. Thanos hat seinem Sohn erzählt, er habe die Unsterblichkeit seines Vaters im Blut. Sie würde aber erst dann wirksam werden, wenn er für ihn eine Aufgabe in Alsuna erledigte. Es war eine Falle. Alvin nahm die Aufgabe an, daraus schloss Thanos, dass sein Sohn unsterblich werden und seinen Platz einnehmen wollte. Das ließ ihn endgültig glauben, dass er Alvin beseitigen musste. Ich weiß nicht genau, wie er es tat. Soweit ich herausfinden konnte, setzte er einen seiner Leute in Alsuna auf Alvin an. Er sollte sein Vertrauen gewinnen. Alvin ging darauf ein und nicht viel später … war er verschwunden.«
    »Thanos hat seinen Sohn ermordet?«
    Sie nickte. Ihr Blick schien zu gefrieren. »Die ganze Zeit hatte ich es geahnt. Ich hatte geahnt, dass er nicht zurückkommen würde, aber ich wollte es nicht wahrhaben; wollte nicht wahrhaben, dass Thanos ein solches Scheusal ist, ein Unmensch, der alles aus dem Weg räumt, was ihm zu nahe kommt.«
    »Was hast du getan, als du von Alvins Tod hörtest?«
    »Ich habe mich auf Thanos gestürzt und ihn angeschrien. Die Wachen haben mich davongezerrt. Ich konnte mich befreien und floh von Briangard, weil ich vermutete, Thanos würde mich ebenfalls umbringen. Ich hatte gehofft, wieder zu meinen Eltern zurückkehren zu können. Aber sie wiesen mich an der Tür ab. Es war mir gleich – ich wollte nicht mehr leben. Gleichzeitig beschloss ich, dass ich weiterleben musste. Ich musste weiterleben, um Alvin zu rächen. Nichts anderes hält mich seitdem am Leben. Sollten die Männer in Alsuna doch meinen Körper bekommen. Im Herzen habe ich sie alle verachtet und gehasst, so wie ich Thanos hasse.«
    Levin atmete schwer und schloss die Augen. Seine Gedanken kreisten um die letzten Wochen, um die Gespräche mit Thanos und alles, was sie bei ihm ausgelöst hatten. Alles Lügen. Hätte er die Möglichkeit gehabt, er hätte diese Wochen aus seinem Leben gewischt.
    »Es tut mir leid, Elena.«
    »Levin, wir müssen ihn vernichten.«

37. Kapitel
    Alsuna, Jahr 296 nach Stadtgründung
    Es blitzte und donnerte. Alvin schleppte sich durch den Regen den Hang hinauf. Seine Schritte waren schwer, an jeder Stelle seines Körpers spürte er die Nässe. Die Straßen im Nordwesten waren lehmig und er glaubte manchmal stecken zu bleiben. Ein paar Schritte noch. Er hustete. Sein Atem wurde schwerfälliger. Es fühlte sich an, als hätte jemand eine tonnenschwere Decke über ihn gelegt. Warum war er heute nur so weit aufs Feld gegangen?
    Endlich erreichte er die Scheune. Er schloss die Tür hinter sich und genoss das dumpfe Geräusch des Regens, der von außen gegen das Holz trommelte. Es roch nach Heu und Tierexkrementen. Friedlich kauten die Kühe vor ihren Trögen.
    Alvin schleppte sich die Leiter zur Tenne hinauf. Hier oben war es am wärmsten. In seiner Ecke zwischen den Strohballen bewahrte er seine Sachen auf. Er holte den Beutel hervor und prüfte, ob noch alles da war. Danach sank er kraftlos zu Boden und zog die Decke über sich. Eine

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