Der Schattensucher (German Edition)
beschützen.«
»Danke, das ist ein großherziges Angebot. Aber es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich gehen muss. Wir haben viel erreicht in der Zeit, die wir nun schon diesen gemeinsamen Weg gehen. Vielen Menschen wurde durch uns geholfen. Einige wurden ermutigt, die Hoffnung nicht aufzugeben. Oft war es mehr unsere Botschaft als unser Heilmittel, das die Menschen veränderte. Das ist sehr viel. Doch es geht um mehr. Die Stadt muss von einem Bann befreit werden, sonst wird sie niemals Frieden finden. Ich kann die nötigen Vorbereitungen nur dann treffen, wenn ich alleine bin. Ihr werdet Näheres erfahren, wenn ich zurückkomme.«
»Wie lange wird das dauern? Und wo wirst du sein?«, schallte es ihm entgegen.
»Fragt mich nicht weiter. Es ist wichtig, dass niemand meinen Aufenthaltsort kennt. Wann ich zurückkomme, weiß ich noch nicht. Aber keine Sorge: Ihr werdet auf jeden Fall von mir hören. Sollte mir etwas zustoßen, dann …« Er zögerte und setzte neu an. »Ich habe vor einer Weile eine Frau kennengelernt, die ich für äußerst vertrauenswürdig halte. Sie weiß alles. Sie wird auch meinen Aufenthaltsort kennen. Sollte jemand an eure Tür klopfen und sagen: ›Öffnet der Botin der Hoffnung‹, dann lasst sie herein und schenkt ihr Glauben. Sie soll euch anführen, falls ich nicht zurückkehre.«
Auf ihren Gesichtern spiegelten sich Furcht und Verwirrung. Ja, sie hatten geglaubt zu wissen, welcher Sache sie dienten. Nun musste er ihnen diese Sicherheit nehmen.
»Es fällt mir nicht leicht, euch zu verlassen. Ich werde euch jeden Tag vermissen. Aber ich bitte euch, mir zu vertrauen, dass ich das Richtige tue – auch wenn ich nicht genau weiß, wie alles enden wird.«
Um seinen Worten einen Abschluss zu geben, griff er nach dem Becher und nahm einen hastigen Schluck. Sein Blick war auf die Tischplatte gerichtet. Benommenes Schweigen war eingetreten. Sie sollten wieder reden, sich vergnügen, am besten nicht mehr an den Abschied denken, sondern sich nur seine Worte merken. Aber das war nur ein Wunsch.
Der Wein wärmte seinen Körper und unweigerlich musste er an die rote Flüssigkeit denken, die er vor zwei Tagen getrunken hatte.
36. Kapitel
Briangard, Jahr 304 nach Stadtgründung
Er schwitzte und keuchte, als er mit einem Satz durchs Feuer wieder im Labor landete. Alles war wie gehabt. Thanos lag sicherlich bereits im Bett und schlief. An einer Wasserschüssel in der Ecke erfrischte sich Levin. Er hatte sich auf dem Rückweg beeilt, um möglichst keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Meist war er gerannt, ohne sich eine Pause zu gönnen.
Eine Weile ging er im Labor umher, bis sein Puls sich beruhigt hatte und der letzte Schweißausbruch vorüber war. Noch immer war es mitten in der Nacht, die Zeit, in der die meisten fest schliefen. Seine ungeplante Rückkehr würde kein Aufsehen erregen. Wenn er nach Hause kam, würde er den Brief vor Elenas Tür entfernen, sich ins Bett legen und am Morgen erwachen, als wäre nichts geschehen.
Dabei war sehr viel geschehen. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
Mit ruhigen Schritten trat er in den Gang hinaus. Friedlich flackerte das Licht an den Wänden. Er tauchte in die nächtliche Ruhe des brianischen Palastes ein. Wie schön es doch war, an einem Ort zu leben, der heute so aussah wie gestern und morgen wieder so aussehen würde. Wie schön es doch war zu wissen, wo er die nächsten Nächte verbringen würde.
Der Wächter kam vorbei und sagte: »Na, seid Ihr nun fertig im Labor?«
»Ja, hat doch etwas länger gedauert«, sagte Levin in entspanntem Ton.
»Hat Hauptmann Jason Euch angetroffen?«
»Jason?«
»Er fragte nach Euch.«
»Ach so«, sagte Levin schnell. »Ja ja, das hat sich alles geklärt.«
»Na dann, noch eine gute Nacht, Hauptmann!«
»Gute Nacht.«
Er ging weiter und fragte sich, was Jason wohl mitten in der Nacht von ihm gewollt haben mochte. Offensichtlich war Levins Fehlen jedoch nicht bemerkt worden, sonst hätte Jason sicher die Wachen alarmiert. Keine Spur davon. Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
Als er unten im Hof über den Kies spazierte, merkte er, wie die Müdigkeit durch seine Glieder zog. Jetzt, wo alles entschieden war und er alles erledigt hatte, sehnte sein Körper sich nach der verdienten Ruhe. Drei friedlose Tage gingen zu Ende. Endlich konnte er sich in seinem Bett, seinem Bett niederlassen.
Leise öffnete er die Tür zu seinem Haus. Er gab sich Mühe, kein unnützes Geräusch zu machen. Die
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