Der Schattensucher (German Edition)
gesagt?«
Levin wandte sich von ihr ab und schwieg die Wand an. Nein, Elena, du wirst nicht von mir hören, dass ich zu schwach war, dir das zu sagen. Auch wenn es stimmen mag. Er rang um die richtigen Worte, brachte aber nichts heraus.
Elena erlöste ihn und sagte: »Es war unnötig. Ich habe es schon länger gewusst.«
Levin drehte sich langsam zu ihr um. »Du hast es gewusst?«
»Ich kannte genug Menschen, die an der Seuche gestorben sind. Ich kenne die Anzeichen. Glaube mir, in meinem Beruf passiert so etwas schnell.«
»Es tut mir so leid.« Seine Worte hatten kaum einen Ton.
»So ist es nun einmal. Irgendwann endet das Leben. Ich genieße die Tage, die mir bleiben. Besser, als wenn ich ewig leben und meine Zeit verschwenden würde.«
»Aber du kannst es doch wenigstens versuchen. Ich werde Thanos morgen bitten …«
»Vergiss es!«, zischte sie. »Ich will nichts von diesem Mann haben! Eher würde ich sterben.«
»Aber wieso? Was hast du gegen ihn?«
»Levin, du begehst einen großen Fehler. Warum bist du zurückgekehrt? Er überhäuft dich mit Geschenken und redet dir gut zu, damit du ihm glaubst. In Wirklichkeit will er nichts anderes, als dich zu unterwerfen und für seine Ziele zu missbrauchen. Zum Henker, ich hätte nicht gedacht, dass gerade du dich von ihm verführen lässt.«
»Was redest du da?«
»Du hast keine Ahnung, in welche Gefahr du dich begibst. Noch sieht es aus, als würde er dir Gutes tun. Aber sobald du in seinen Fängen bist, ist es vorbei. Und wenn du ihm zu gefährlich wirst, überlebst du es nicht.«
»Hör auf, so über ihn zu reden! Du kennst ihn doch gar nicht!«
»Und ob ich ihn kenne!« Sie machte eine Pause und ließ den Satz wirken.
Levin schaute sie entgeistert an und in seinem Blick stand die Frage, ob sie das ernst meinte.
»Setz dich«, sagte sie zur Beruhigung. Er nahm den Platz ihr gegenüber ein. »Willst du das wirklich hören?«
»Ja.«
»Na schön. Ich habe einmal geglaubt, Thanos könnte so etwas wie ein zweiter Vater für mich werden. Ich schätze, diese Idee hattest du auch schon. Am Anfang denkt man sich solche Dinge. Aber irgendwann zeigt er sein wahres Gesicht.
Ich habe seinen Sohn geliebt, Alvin. Wir wollten heiraten. Solange Thanos davon nichts wusste, war alles gut. Dass sein Sohn sich mit einer Halbbrianerin im Hof herumtrieb, machte ihm wenig aus. Aber als Braut? Das hatte er nicht vorgesehen. Dafür war ich ihm wohl zu fremd und zu bäuerlich. Alvin wollte um mich kämpfen. Er sorgte dafür, dass ich im Palast wohnen durfte, damit ich mich an alles gewöhnen konnte. Es war ihm ernst und mir auch. Als ich meinen Eltern sagte, dass ich auf Briangard bleiben würde, schrie mich meine Mutter an und verbot mir, ihr jemals wieder vor die Augen zu treten. Mein Vater war schwach und widersprach ihr nicht. Es gab kein Zurück, ich hatte nur noch Alvin. Aber die Brianer schienen mich nicht zu wollen und Thanos verbarg seine Ablehnung nicht. Alvin ließ sich davon nicht beirren. Wann auch immer es erforderlich war, stellte er sich hinter mich.
Ich glaube, da fing es an, dass Thanos Angst vor ihm bekam. Bis dahin hatte er Alvin blind vertraut, hatte ihm große Aufgaben übertragen und ihn überall als seinen wunderbaren Sohn gepriesen. Alvin wurde sehr beliebt. Aber auch sein Einfluss wuchs. Ich glaube, dass Thanos Furcht bekam, dass sein Sohn nach seiner Herrschaft trachtete.«
»Wie sollte das gehen?«, fragte Levin. »Thanos ist unsterblich. Er wird nie seine Herrschaft abgeben.«
»Nicht auf natürliche Weise. Aber was, wenn man sich gegen ihn verschwört und ihn beseitigt? Genau diese Angst hat Thanos wohl immer mehr zu einem Tyrannen gemacht, der sich nur noch in seinen Palast zurückzieht und nichts von den Menschen draußen wissen will. Er will treu ergebene Diener, aber sie dürfen ihm nicht zu mächtig werden. Und je länger er der Graf ist, umso tiefer steigert er sich hinein. Er glaubte, Alvin wollte seine Unsterblichkeit erlangen und ihm dann die Macht streitig machen.«
Levin verstand. Sofort hatte er den prächtigen Mantel vor Augen, hörte er Thanos’ ausweichende Worte, als sie von seinem Sohn geredet hatten.
War es vielleicht das, das tiefe, dunkle Geheimnis, vor dem Levin sich gefürchtet hatte?
»Stimmte das? Wollte Alvin seine Herrschaft?«
»Ich habe mich damals wenig in diese politischen Dinge eingemischt. Aber ich weiß, dass es Alvin immer um das Wohl der Stadt ging. Sein Herz war nicht verdorben vom Wunsch nach Macht,
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