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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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verrieten so etwas wie Vorfreude. Die anderen beiden Männer, die Levin zum ersten Mal sah, machten einen ähnlichen Eindruck. Die selbstverständliche Art, mit der sie sich an die Wand lehnten, ließ ihn vermuten, dass sie keine willenlosen Untergebenen waren.
    Für den Moment schien es ihm das Angemessenste, auf dem Boden zu bleiben. In seine Stimme legte er aber keinerlei Unterwürfigkeit: »Eure klugen Reden könnt Ihr Euch sparen. Sagt mir, was Ihr wollt.«
    »Ihr kommt schnell zur Sache. Das gefällt mir. Ihr habt uns immerhin zwei Tage warten lassen.«
    »Eure Gastfreundschaft war einfach zu gut.«
    »Das wird sie auch bleiben.«
    Der Anführer gab den beiden an der Tür ein Zeichen, Levin aufzuhelfen. Levin kam ihnen zuvor. Er stellte sich vor dem Mann auf, dessen Haare heute gar nicht so ungepflegt wirkten.
    »Ich habe Eure Gastfreundschaft nie erbeten.«
    »Ihr werdet Euch daran gewöhnen müssen, Dinge anzunehmen, die Ihr nicht erbeten habt.«
    »Ihr meint dieses furchtbare Gewand an meinem Leib?«
    »Es ist vom besten Weber in dieser Straße«, sagte einer der beiden.
    »Genau genommen«, ergänzte der andere mit den langen Zähnen, »aus diesem Haus.« Er lächelte, als wäre das besonders witzig.
    Levin beachtete die beiden nicht, sondern schaute weiter dem Anführer ins Gesicht. »Ich habe keine Lust auf Eure Spiele.«
    »Schön«, antwortete der Anführer und wies nacheinander auf seine Männer. »Nadal, Merkus, Sandrin. Und ich bin, wie Ihr wohl vermutet habt, Darius. Die Weberei unten gehört meinem Bruder. Hier oben sind wir im Hauptquartier des Otusnetzes . Ihr werdet für uns arbeiten.«
    »Ich werde für niemanden arbeiten.«
    »Briangard.« Darius drehte sich zur Seite, um den Anblick zur Festung freizugeben. »Eine Herausforderung, wie sie einem Mann wie Euch gerade angemessen ist. Ihr werdet dort einen Auftrag für uns erledigen.«
    Levin richtete seinen Blick auf die Reihe von Türmen, Zinnen und dicken Mauern, die sich auf dem Bergmassiv über der Stadt erhob. Er schaute zu der kleinen Straße, die von der Nordstadt den Berg hinauf zum Tor der Festung führte, das nur über eine Zugbrücke erreicht werden konnte. Jeder in dieser Stadt wusste, dass es nahezu unmöglich war, ungebeten in die Burg zu gelangen.
    »Ich weiß nicht, was ich dort für Euch tun soll, aber ich habe kein Interesse.«
    Darius schien Levins Reaktion nicht im Geringsten zu beeindrucken. Er redete weiter und untermalte alles mit dezenten Gesten. »Viele Jahre sind wir schon damit beschäftigt, hinter die Machenschaften des Grafen zu kommen. Er arbeitet äußerst raffiniert, unauffällig, taktisch. Jeder Hinweis hat uns sehr viel Mühe gekostet.«
    »Ich sagte, ich habe kein Interesse. Lasst mich die Münzerei ausrauben oder das Museum. Aber haltet mich aus diesen politischen Dingen heraus.«
    »Darf ich Euch eine Frage stellen?«
    »Nur zu.«
    »Wie denkt Ihr über die Unsterblichkeit des Grafen?«
    Levin überlegte nicht lange. »Ich weiß nicht. Für mich hat sie keine Bedeutung. Jedenfalls mache ich keinen Kult darum.«
    »Aber die Menschen tun es. Entweder ist der Graf das unzerstörbare Böse für sie oder er ist der baldige Wiederkehrer. Manche erklären ihn schon für tot, manche behaupten, er habe einen Sohn. Und dann gibt es da noch diese fanatische Gruppe, die behauptet, es habe ihn in Wirklichkeit nie gegeben. So ist es nun einmal mit bedeutenden Persönlichkeiten, die lange nicht mehr gesehen worden sind. Sie ziehen die Fantasie der gewöhnlichen Menschen geradezu auf sich. Manchmal glaube ich, die Stadt braucht Symbole wie den Grafen, um nicht im Sumpf des Alltags zu ersticken.«
    »Dann weiß ich nicht, warum Ihr daran etwas ändern wollt.«
    »Es wäre nicht nötig, wenn es dabei bliebe. Leider ist es aber so, dass der Graf nicht nur eine symbolische Wiederkehr plant. Dass er die Seuche in die Stadt gebracht hat, war erst der Anfang.«
    Levin versuchte immer noch, Gleichgültigkeit zu demonstrieren. Zugleich richteten sich seine Augen auf Briangard und er wusste, dass er nicht verbergen konnte, was für eine Schwere sich langsam auf ihn zu legen begann. Sein Kopf pochte unentwegt.
    Er kannte die Geschichte von Alsuna und Briangard. Jeder kannte sie in der einen oder anderen Fassung. Nur selten wurde bestritten, dass der Graf unsterblich war. Uneins war man sich nur darüber, ob man diesen Umstand »Unsterblichkeit« nennen dürfe – denn der Graf war, wie einige vermuteten, keineswegs unverwundbar. Eines

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