Der Schattensucher (German Edition)
sich zu bewegen, sein Vorgehen. Ich würde ihn jederzeit wiedererkennen.«
»Dann hat sich also die Aussage von Linus bestätigt«, ergänzte Norman, »dass sich in Sallas’ Haus ein wichtiger Stützpunkt der Ritter von Alsuna befindet.«
»So scheint es zu sein«, sagte Jason.
Der Erbauer legte die Hand ans Kinn und grübelte. Jason wurde ungeduldiger mit jeder Sekunde, die er schwieg. »Herrlichkeit«, fing er an, »ich will Euch nicht drängen. Aber es scheint mir unvermeidlich, noch in dieser Nacht dem Treiben ein Ende zu setzen. Wenn der Eindringling es bis in den Palast geschafft hat, dann ist Euer Leben ernsthaft in Gefahr.« Er schaute zu Norman, der den Blick beschämt nach unten richtete. »Wir wissen, wo sich der Mann befindet. Das ist eine einmalige Gelegenheit, ihm seine gerechte Strafe zukommen zu lassen.«
»Habt Ihr darüber nachgedacht, dass die Ritterschaft nun all ihre Kräfte im Haus von Sallas bündeln wird?« Die Stimme des Erbauers war schneidend. »Sie haben einen von uns gesehen, also werden sie noch mehr von uns erwarten.«
»Dann haben wir alle Ritter an einem Ort versammelt«, antwortete Jason kalt. »Die Gefahr ließe sich mit einem Schlag beseitigen.«
Jetzt wurde der Erbauer laut: »Und habt Ihr darüber nachgedacht, welche Folgen es haben wird, wenn eine Armee des Grafen mitten in Alsuna auftaucht und einen Krieg beginnt?«
»Es wird kein Krieg sein, Herrlichkeit. Ein Kampf und es ist vorbei. Die Alsuner werden der Ritterschaft nicht nachtrauern.«
Der Erbauer schaute unzufrieden und schien kurz davor, eine endgültige Ablehnung auszusprechen. Unerwartet hob Norman den Kopf und sagte: »Es lag in meiner Verantwortung, dass der Eindringling bis zum Labor gelangen und wieder fliehen konnte. Herrlichkeit, es ist uns eine Ehre, Euren Leib wie unseren eigenen zu beschützen. Wir neigen dazu, uns in diesem Gemäuer zurückzuziehen, um Euch möglichst nahe zu sein. Doch manchmal scheint es mir ein Vorwand zu sein, sich der Bedrohung nicht zu stellen.« Er räusperte sich und rang um Worte. »Herrlichkeit, erlaubt mir, dem Heer voranzureiten und es anzuführen. Es geht darum, eine Gefahr zu bekämpfen. Bislang ging diese Gefahr von einem Mann aus. Ihn gilt es zu fassen. Ich selbst will mit den Rittern verhandeln und seine Herausgabe fordern. Sollten sie mit einer Kampfansage antworten, hätten wir ein schlagkräftiges Heer, um ihnen entgegentreten zu können. Doch ich glaube an eine Lösung ohne Blutvergießen.«
Jason schluckte. Norman. Sie waren bestens gerüstet, das Heer war bereit, der Feind stand so klar vor ihnen wie nie zuvor. Er hatte sich auf den Kampf seines Lebens eingestellt, auf die Nacht, in der er seinem Erbauer die Sicherheit zurückschenkte. Und nun rückte wieder Norman in den Vordergrund, der Mann, dessen Strategie soeben versagt hatte. Wie lange erduldete der Erbauer ihn noch? Wie lange musste er selbst ihn noch erdulden?
Der Erbauer begann zu nicken, zuerst unmerklich, dann immer deutlicher. »Ich sehe keinen anderen Weg. Die Gerechtigkeit fordert es, dass wir diesen Mann entlarven und bestrafen. Nehmt ihn fest und bringt ihn nach Briangard. Setzt alles daran, unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Ich vertraue Euch, Norman.«
Das war also beschlossene Sache. Jason nickte widerwillig und betonte, dass sie sich zu beeilen hätten. Der Erbauer kehrte zu seinem Stuhl zurück und sagte, er würde wach bleiben und ihre Rückkehr erwarten. Jason spürte einen Hauch von Bitterkeit, als er feststellte, dass der Erbauer ihn nur flüchtig anschaute. Aber er würde dafür sorgen, dass sich das bald änderte. Vielleicht schon heute Nacht. Er würde etwas vollbringen, was dem Erbauer keine andere Wahl ließ, als ihn mit seinem väterlichen Lob zu überschütten.
Sie beeilten sich. Norman legte Rüstung und Schwert an und nahm zwei seiner Männer mit. Im Vorhof stiegen sie auf die Pferde, zweihundert Mann, behelmt und in schwerste Panzer gehüllt. Über die Hälfte der Außenwache von Briangard machte sich auf den Weg in die Stadt, deren Zutritt ihnen eigentlich verwehrt war.
Norman und seine beiden Begleiter ritten voran, Jason folgte unmittelbar, begleitet von seinem Wolfshund. Der Boden unter ihnen dampfte. Sie bewegten sich im Galopp die Straße hinab, ein wuchtiger Zug, der mit seinem lauten Gepolter vermutlich alles aufweckte, was sich in der Nähe befand.
Das Haus von Sallas lag, losgelöst von den Nachbarhäusern, vor einem gepflasterten Platz in einem
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