Der Schattensucher (German Edition)
in die Oststadt mussten sie zurücklegen. Der Weg führte über breite Straßen und durch enge Gassen. Der Kerl musste genau gewusst haben, wie er zu reiten hatte.
Als es schon hell war und der Regendunst sich allmählich verzog, eilte der Hund auf eine Tür zu und streckte ihr die Schnauze entgegen. Jason pfiff ihn zurück. Aus sicherer Entfernung schaute er sich das Gebäude an, bei dem es sich offensichtlich um eine Weberei handelte. Hier musste der Mann eine ganze Weile geblieben sein, denn keine Spur führte von dem Haus weg. Am Holzgatter für die Pferde stand kein Tier, er war also weitergeritten. Sicher hatte er drinnen seine Wunde verarztet und war dann davongezogen. Er überlegte, was das bedeutete. Wenn dies ein Stützpunkt der Ritterschaft war, dann war ihr Feind mächtiger, als er erwartet hatte. Es bedeutete aber auch, dass er jetzt nichts weiter unternehmen konnte. Er hatte in dieser Nacht erlebt, wie schnell die sogenannten Ritter handelten.
Im Trab machte er sich auf den Weg Richtung Norden. Noch ehe das Leben in der Stadt erwachte, wollte er wieder auf Briangard sein.
27. Kapitel
Alsuna, Jahr 304 nach Stadtgründung
Levin glaubte, die Dunkelheit hätte ihn verschluckt und unauffindbar gemacht. Ohne weiter auf den Torwächter einzugehen war er von Sallas’ Haus auf schnellstem Wege in die Oststadt geritten. Vor der Weberei hatte er das Pferd angebunden und noch ehe er anklopfen konnte, hatte man ihm die Tür geöffnet.
Nun saß er auf einem Holzbock vor einem Webstuhl und ließ sich von Nadal die Wunde am Fuß verbinden. Ihm fehlte die Lust, die ganze Geschichte zu erzählen, deshalb beließ er es bei einer reizlosen Variante.
»Ich bewundere Eure exakte Zeiteinteilung«, sagte Darius und ging mit verschränkten Armen auf und ab. »Ich gab Euch einen Monat Zeit und Ihr trefft kaum verspätet, nicht einmal eine halbe Stunde nach Mitternacht, ein.«
»Verzeiht. Ich brauchte zu lange für meine Haare. Ihr wisst schon, meine Eitelkeit …«
»Eure Haare sehen furchtbar aus. Der Rest auch. Aber lassen wir das. Ich will Ergebnisse.«
Von wegen furchtbar! Er sollte sich seine fettigen dünnen Strähnen einmal ansehen. Nach diesem Tag kriegt mich niemand mehr klein.
»Wenn man es genau betrachtet, habe ich Euch einen doppelten Dienst erwiesen. Neben den Informationen, die ich eingeholt habe, ist es mir gelungen, den Grafen zu einem friedensstiftenden Schritt zu bewegen. Das ist doch in Eurem Interesse.«
»Eure politischen Erfolge interessieren mich nicht! Was habt Ihr herausgefunden?« Darius war lauter geworden und stehen geblieben.
»Eine ganze Menge. Die Nacht würde nicht ausreichen, Euch das alles zu berichten.«
»Dann fangt endlich an. Und zwar mit den wichtigen Dingen.«
Levin beugte sich zu Nadal hinunter. »Ihr könnt ruhig fester binden. Bin ich ein Weib?« Nadal blickte störrisch hoch, dann zog er die Binde ruckartig so fest, als bisse der Hund erneut zu. Levin jaulte auf und verfluchte Nadal so milde, wie er es in diesem Moment vermochte.
»Ich denke, das Wichtigste ist, dass ich das Vertrauen des Grafen erworben habe. Ich kann im Palast herumlaufen, wie es mir beliebt – sofern mir niemand meinen Fuß ramponiert«, zischte er zu Nadal hinunter. »Ich konnte auch so einiges in Erfahrung bringen, was den alten Mann bewegt.«
»Und wozu habt Ihr dieses Vertrauen eingesetzt, wenn ich fragen darf?« Die Ungeduld stand Darius ins Gesicht geschrieben. Ein bisschen wunderte es Levin, dass der Mann von seinem überraschenden Erfolg beim Grafen so wenig Notiz nahm.
»Ich habe jeden Winkel des Palastes erforscht. Ich kenne die Anzahl der Wachen, ihre Laufwege, ihre Befehle. Ich kenne die Mentalität der Brianer, weiß, womit man sie reizt oder wie man sie einlullt. Und das Wichtigste: Ich weiß, wie man mit dem Grafen umzugehen hat.«
Darius beugte sich über Levin und hielt den Kopf schräg. Levin musste darauf achten, beim Anblick des lückenhaften Gebisses nicht breit zu grinsen. »Was ist mit den Dingen, um die ich Euch gebeten habe?«
»Ihr meint wohl … ein paar geheime Aktivitäten, die da oben laufen sollen.«
»Ja, die meine ich. Wer ist beteiligt, was haben sie vor, wann schlagen sie zu?!«
Levin lächelte ihn freundlich an. »Ihr wisst doch nicht einmal, ob es diese Verschwörung überhaupt gibt.«
»Dann klärt mich auf!«, brüllte Darius.
Levin schob ihn beiseite, stand auf und ging zum Tisch. Die Wunde brannte bei jedem Schritt. »Also gut. Es gibt die
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