Der Schatz des Blutes
also.«
Dies war der überlieferte Segensspruch ihres Ordens, und seine Begleiter stimmten sofort ein.
»So sei es also.«
D IE M ÖNCHE AUF DEM B ERG
1
O
BWOHL SIE HILFLOS in ihrer schwankenden Kutsche gefangen war, umringt von schreienden, kämpfenden Männern, weigerte sich Morfia von Melitene zu glauben, dass ihr Leben im Begriff stand zu enden. Andererseits war sie aber zu pragmatisch, um zu leugnen, was hier geschah. Ihren Beschützer Sir Alexander Guillardame hatte es bereits ereilt, und nun hing er äußerst unelegant kopfunter auf der gegenüberliegenden Sitzbank; ihr Kleid war über und über mit seinem Blut und dem Hirn aus seinem eingeschlagenen Schädel bespritzt, und der Inhalt seiner Eingeweide erfüllte die Kutsche mit seinem Gestank.
Er war einer von zwei jungen Rittern gewesen, die mit ihr in der Kutsche saßen, als der Angriff begann. Sie hatten die Helme ganz entspannt zu ihren Füßen liegen und die Kapuzen ihrer Kettenpanzer vom Kopf geschoben, während sie sich angenehm unterhielten und sich darum bemühten, Morfia auf der langen Reise Ablenkung zu verschaffen. Doch dann war plötzlich Lärm aufgekommen, und das Gefährt hatte einen Satz gemacht, als die verschreckten Pferde es erst von der Straße rissen und dann abrupt zum Stehen kamen. Überall ertönte das Geschrei wütender, aufgebrachter Männer.
Ehe auch nur einer der drei Passagiere sich einen Reim auf die plötzliche Veränderung machen konnte, hatten sie Hufe herandonnern hören, und ein großer Trupp von Reitern – Morfia war zu verwirrt und verängstigt gewesen, um sich zu wundern, wer sie waren – war mit enormer Geschwindigkeit über sie hergefallen. Bevor sie überhaupt fragen konnte, was geschehen war, griffen ihre Begleiter schon so hastig zur Kutschentür, dass sie sich gegenseitig im Weg waren. Sie tasteten zwar nach ihren Waffen, doch ihre Helme blieben vergessen auf dem Boden liegen.
Antoine de Bourgogne öffnete die Tür und sprang als Erster hinaus, ohne sich bewusst zu sein, dass er den Arm seiner Herrin gepackt hatte, um sich daran abzustoßen. Aus seinem schmerzhaften Griff befreit, sah ihn Morfia auf den Füßen landen, während seine Hände den verblüffend langen Speerschaft umklammerten, der ihn im Sprung durchbohrt hatte. Als er dann vornüberstürzte, versperrte ihr der junge Alex Guillardame den Blick, dessen lebloser Körper vor der schmalen Tür der schwankenden Kutsche hin- und herpendelte. Dann hörte sie ein kurzes, heftiges, reißendes Geräusch, dessen abruptes Ende sie an das Geräusch einer Axt erinnerte, die auf einen Baumstumpf trifft. Als die Leiche des jungen Ritters herumgeschleudert wurde, war ihr Gesicht zerschmettert. Der Armbrustpfeil, der seine ungeschützte Stirn getroffen hatte, hatte seinen Schädel zertrümmert und weggeblasen.
Während sie noch entsetzt die Augen aufriss, drehte sich der tote Ritter weiter, wohl durch die Wucht des Geschosses, das ihn umgebracht hatte, und im Niedersacken zog er die Tür zu, sodass die dichten Vorhänge ihr jeden Blick auf das Geschehen im Freien versperrten – wenn sie auch weiterhin alles hören konnte. Morfia sah wie versteinert zu, wie die Knie des Toten schließlich nachgaben und er langsam auf sie zukippte. Dabei landete die glitschige Masse, die einmal der Inhalt seines Schädels gewesen war, mit einem feuchten Klatschen auf dem Boden.
Erst jetzt ließ sie ihrem Grauen freien Lauf und trat ebenso panisch wie entrüstet um sich. Ihre Füße trafen mit voller Wucht gegen Guillardames linke Schulter, und der Stoß richtete ihn wieder auf und drehte ihn zur Seite, sodass er erst nach hinten fiel und dann mit dem Gesicht nach unten auf der Bank landete, auf der er noch vor wenigen Sekunden gesessen hatte. Immer noch verständnislos und bewegungsunfähig, hörte sie das gurgelnde Geräusch, mit dem sich sein Darm entleerte – und dann schien ihr Verstand den Dienst eingestellt zu haben.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit seitdem verstrichen war, denn sie hatte jedes Gespür dafür verloren. Doch als sie wieder zu sich kam, wurde im Freien immer noch gekämpft, und sie spürte, wie die Panik sie erneut zu überwältigen drohte.
Doch Morfia war eine starke, hartnäckige Frau, und inzwischen besaß sie wieder genug Geistesgegenwart, um die Wogen der Hilflosigkeit zu bekämpfen und sich nach einem Mittel zu ihrer Verteidigung umzusehen.
Guillardame hatte seinen Dolch noch im Gürtel stecken, und sie fasste danach und zog ihn heraus. Im selben
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