Der Schatz des Blutes
angetan mit den Insignien des Ordens, und er verbeugte sich tief vor ihm, der traditionelle Gruß des zu spät Kommenden.
De Payens neigte den Kopf als formelle Antwort auf ihren Gruß. Ebenso neigte der Mann zu seiner Rechten, in dem St. Omer jetzt den stark gealterten André de Montbard aus seiner Kindheit erkannte, grüßend den Kopf. Dann hob de Payens die rechte Hand, um den Neuankömmlingen zu bedeuten, dass sie bleiben sollten, wo sie waren, und begann das Schlussgebet der Zeremonie.
Alles wartete schweigend und gesenkten Hauptes auf die abschließende Formel, »so sei es also«, die sie wiederholten. Dann entspannten sie sich und ließen sich auf Sitzgelegenheiten vom grob gezimmerten Hocker bis hin zum Baumstumpf oder rußgeschwärzten Felsbrocken nieder. De Payens ließ André de Montbard auf dem einzigen Holzstuhl niedersitzen, den sie besaßen, und wandte sich endlich an seine Kameraden.
»Unser Besucher bringt uns Nachrichten aus der Heimat, Brüder, daher bin ich der Meinung, dass er als Erster sprechen sollte.« Er wandte sich mit einladender Geste an Montbard. »Bitte, Sir André.«
De Montbard machte keine Anstalten, sich zu erheben. Er drehte sich nur auf seinem Stuhl und sah sich um, bis er jeden seiner sechs Zuhörer direkt angeblickt hatte. Danach rieb er sich mit Finger und Daumen über den Nasenrücken.
»Nun«, begann er, »ich habe euch nicht viel zu sagen, das euch neu wäre, aber dennoch habe ich viel zu sagen – und viel von euch zu lernen. Lasst mich also beginnen, indem ich euch die Grüße und den Segen des Grafen Hugh de Champagne, eures Seneschalls, entbiete und ebenfalls die des Rates. Meine Hauptaufgabe ist es, euch darüber zu unterrichten, dass Graf Fulk von Anjou, der euch im Lauf des Jahres besuchen sollte, nicht kommen kann. Er wird durch dringende Angelegenheiten zurückgehalten, doch er hofft, sie so schnell wie möglich erledigen und nächstes Jahr kommen zu können.«
Er hielt inne und sah sich erneut um, dann umfasste er den Raum mit einer Geste.
»Ich muss sagen, dass ich erstaunt bin. Das alles hier erstaunt mich, was ihr vollbracht habt, was ihr getan habt und in wie kurzer Zeit es euch gelungen ist. Und doch weiß ich nicht, was ihr konkret getan habt. Was habt ihr getan?«
De Payens lachte auf.
»Wir sind Mönche geworden, bis hin zu den rasierten Köpfen.«
»Aye, das weiß ich. Und doch auch wieder nicht, oder? Ihr seid doch nicht wirklich Priester geworden?«
»Nein, noch nicht ganz. Wir sind Novizen. Wir haben noch kein endgültiges Gelübde abgelegt. Doch wir sind fest entschlossen, diese Gelübde in aller Aufrichtigkeit abzulegen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.«
»Aber warum, in Gottes Namen? Warum schien euch das nötig?«
»Weil Gottes Name der einzige Weg war, den wir uns vorstellen konnten, unsere unmöglichen, törichten Anweisungen aus Frankreich zu befolgen. Hätten wir uns nicht entschlossen, Mönche zu werden, hätten wir keine Chance gehabt zu tun, was man uns aufgetragen hat. Selbst jetzt als zukünftige Mönche wissen wir noch nicht, wie viel wir erreichen können, doch da wir hier in situ Quartier bezogen haben, können wir es zumindest versuchen.«
»Wie denn?«
De Montbard runzelte verblüfft die Stirn.
»Ich meine, ich weiß, dass die Anweisungen, die ihr erhalten habt, töricht und unausführbar waren. Das ist ein Teil des Grundes, warum ich hier bin, denn ich soll diese Anweisungen ändern, nachdem ich mir ein Bild von eurer Situation gemacht habe. Ich habe Papiere dabei, die diese Aufgabe möglicherweise vereinfachen, aber darüber sprechen wir später. Erst einmal muss ich euch davon in Kenntnis setzen, dass Graf Hugh nichts von dem wusste, was man von Euch verlangt hat. Er hat die Anweisungen, die euch durch Gaspard de Fermond überbracht worden sind, nie gesehen. Sonst hätte er sein Veto dagegen eingelegt und aufgezeigt, wie sinnlos sie waren. Doch keines der anderen Ratsmitglieder hatte Jerusalem je betreten, daher konnten – und können – sie sich nicht vorstellen, wie unerfüllbar ihre Forderung ist. Aber nun erzählt mir bitte, wie es kommt, dass ihr Mönche geworden seid und in diesen Stallungen lebt.«
Eine halbe Stunde später war er über alles informiert, was die Bruderschaft im Lauf des vergangenen Jahres in Jerusalem getan hatte. Schließlich verstummte de Payens, und Montbard blieb eine Weile wortlos sitzen und schüttelte beeindruckt den Kopf, bevor er Fragen zu stellen begann.
»Der Patriarch hatte
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