Der Schatz des Blutes
meinem Leben angeht, so muss ich sagen, ja … Nicht, weil es eine tiefgreifende Veränderung gegeben hätte, die ich konkret ausmachen könnte, sondern aufgrund all der Dinge, die ich seitdem nur durch meine Zugehörigkeit gelernt habe. Ich kann Euch in aller Aufrichtigkeit sagen, dass ich glaube, dass ich durch das, was mich die Bruderschaft gelehrt hat, ein besserer Mensch geworden bin. Aber mehr kann ich nicht sagen, bevor Ihr nicht selbst aufgenommen worden seid.«
Irgendwo in der Dunkelheit, die sie umgab, ertönte ein Geräusch, und der Ritter sah sich um und erhob sich.
»Nun kommt, unsere Brüder möchten gern fort, denn sie arbeiten schon den ganzen Tag hier an den Vorbereitungen für die morgige Zeremonie. Außerdem muss es bald Abendessen geben.«
Gemeinsam gingen die beiden Männer denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, bis sie die letzte Tür durchquerten und sich erneut in dem Schacht am Fuß der Holztreppe befanden. Die Fackeln an der Wand begannen jetzt, hörbar zu flackern, und bald würden sie heruntergebrannt sein, doch bis dahin würden sich alle, die hier unten arbeiteten, entfernt haben, und man würde die Treppe hochgezogen haben, sodass der Weg nach unten wieder unter dem falschen Fußboden verschwand.
Beide blieben stumm, bis sie das Stockwerk erreichten, in dem sie sich begegnet waren. Hugh nahm sein Schwert von Sir Stephens wartendem Leibwächter in Empfang, und der Ritter neigte seinem Patensohn den Kopf zu, um sich zu verabschieden.
Doch bevor sie sich trennen konnten, wurden sie durch Frauenstimmen unterbrochen, die ihre Namen riefen, und Lady Louise de Payens, Hughs jüngere Schwester, kam mit ihrer besten Freundin auf sie zu, Lady Margaret St. Clair, Sir Stephens fünfzehnjähriger Tochter, die am Vortag gemeinsam mit ihm aus England eingetroffen war.
Sir Stephen hielt ihnen beiden die Hände entgegen und begrüßte sie mit einer fröhlichen Begeisterung, die mehr als einen der Männer überrascht hätte, die ihn als Inbegriff militärischer Strenge verehrten. Doch bevor ihn die Mädchen in Richtung der Gästequartiere davonzerren konnten, fasste er sie fest an den Handgelenken und bat sie wortlos durch den Druck seiner Finger zu warten, bis er sein Gespräch mit Louises Bruder beendet hatte.
»Wir sehen uns morgen zur vereinbarten Zeit, Patensohn. Was das andere Thema angeht … an das Ihr vorhin Eure Frage nicht verschwenden wolltet … versetzt Euch einmal in die Lage Eurer Lehrer und fragt Euch, ob sie Euch in Gefahr bringen würden. Es war ein Scherz, wie Ihr vermutet habt. Es geht nur darum, Euren Platz zu finden und Euch einzufügen. Ihr werdet es überleben.«
Dann wandte er sich schwungvoll den Mädchen zu.
»Und nun, meine Damen, stehe ich ganz zu Eurer Verfügung.«
Sie lächelten ihm zu, verabschiedeten sich von Hugh und führten Sir Stephen an den Händen davon. Keiner der beiden Männer hatte den Blick bemerkt, den die Mädchen gewechselt hatten, während sie zuhörten, was der Ritter zu Hugh gesagt hatte.
2
A
M FOLGENDEN NACHMITTAG, weniger als eine Stunde vor seiner Prüfung, kamen Hugh de Payens allmählich Zweifel, dass er überhaupt irgendetwas wusste.
Er war so gut wie überzeugt, dass ihn eine Art von Schwachsinn überkommen haben musste, da sein Verstand nicht mehr der zu sein schien, mit dem er aufgewachsen war. Angesichts der scheinbar endlosen Wartezeit, bevor man ihn vor seine Prüfer schleppte, hatte er versucht, sich abzulenken, indem er die Antworten auf die bevorstehenden Fragen noch einmal durchging. Doch zu seinem Entsetzen konnte er sich an kein einziges der Worte mehr erinnern, die ihn so lange solche Anstrengung gekostet hatten, und je mehr er es versuchte, desto mehr bekam er es mit der Angst zu tun.
Nicht nur, dass er sich an keine einzige Antwort mehr erinnern konnte, ihm fiel nicht einmal mehr der Grundstock des Fragenkatalogs ein, mit dem sein Vater und sein Großvater ihn monatelang malträtiert hatten.
Frustriert und der Panik nahe, bildete er sich ein, er könnte seinen gesamten Schädel wie ein immenses, leeres, grotesk geformtes Gewölbe zwischen seinen Ohren spüren, viel zu groß, wie eine Höhle mit einem Echo. Er hätte am liebsten geweint, und eine leise innere Stimme redete ihm beharrlich ein davonzulaufen, doch er tat beides nicht. Er saß einfach nur da, starrte vor sich hin und versuchte, sich zu beruhigen, während er darauf wartete, vor die Zusammenkunft gerufen zu werden.
Kurz darauf wurde ihm bewusst,
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