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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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ihre Abgaben zu bezahlen. Es war ein Teufelskreis. Und so entstand dieser … dieser Kult rechtschaffener Armut, der vor allem von den Zeloten vorangetrieben wurde. Die Mitglieder einer anderen Sekte, der Ebioniten oder Essener, nannten sich sogar Die Armen .«
    William hielt inne und sah den Grafen an, der ihm aufmerksam zugehört hatte.
    »Habe ich etwas vergessen?«
    Der Graf schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich bin überrascht, wie viel du noch weißt, ohne dass jemand nachhelfen muss.«
    William wandte sich wieder seinem Neffen zu.
    » Die Armen . Erinnerst du dich noch daran, was Jesus über das Kamel und das Nadelöhr gesagt hat?«
    »Aye, natürlich. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.«
    »Genau. Zur Zeit Jesu waren alle Reichen entweder Herodianer oder Römer … auf keinen Fall Juden. Und die Jude n aus Judäa waren das selbstgerechteste Volk der Welt … Gottes auserwähltes Volk. Es muss unerträglich für sie gewesen sein, ihr Land und den Tempel, der ihre Religion verkörperte, in den Händen eines halb arabischen, halb griechischen Volkes zu sehen; schlimmer noch, mit den Pharisäern zu leben. Wie frustrierend muss es gewesen sein, die Verachtung der Geldverleiher im Tempel zu erdulden und die Schmach, überhaupt auf sie angewiesen zu sein; zu wissen, dass sie nichts dagegen tun konnten, weil alle Macht in den Händen der Reichen lag, die die verhassten Römer im Rücken hatten – welche sogar versucht hatten, im Allerheiligsten ein Standbild ihres gotteslästerlichen Kaisers aufzustellen …«
    Sir William schwieg, um Stephen einen Moment Zeit zu lassen, das Gehörte verdauen, bevor er dann weitersprach.
    »Die Juden lebten in einer Welt, in der es nur Schwarz und Weiß gab, Stephen, nur Extreme und keine Zwischentöne. Wer kein Jude war, konnte das Königreich Gottes nicht erlangen. Doch auch für die Juden war der Weg zur Gnade Gottes steinig und unbequem. Unter den messianischen Sekten befand sich eine Gruppe, die sich die Essener oder Nazarener nannte und in einer kleinen Gemeinschaft in Jerusalem lebte – einer Gemeinschaft, die sogar noch gesetzestreuer war als die Zeloten. Zu ihren Anführern gehörte ein Mann namens Yeshua Ben David – wir nennen ihn Jesus. Den Aufzeichnungen zufolge, die sich im Besitz unseres Ordens befinden, hat er nie behauptet, der Messias zu sein, und er hielt sich auch nicht für den Retter der Welt. Er war nur ein Mensch, wenn auch ein außergewöhnlicher. Aber er war ein politischer Revolutionär, weshalb ihn schließlich die Pharisäer bei den Römern denunziert haben, und diese haben ihn gekreuzigt.«
    William St. Clair erhob sich und trat an den Tisch an der Wand, auf dem der Weinkrug stand. Er füllte seinen Becher nach und bot auch den anderen etwas an. Graf Hugh nahm an, aber Stephen lehnte mit einem Kopfschütteln ab. Achselzuckend leerte William seinen Becher und füllte ihn erneut. Schließlich stellte er den Krug wieder hin und lehnte sich mit dem Gesäß an die Tischkante.
    »Vom vielen Reden wird man durstig, egal, ob man gut oder schlecht, deutlich oder konfus spricht. Hast du verstanden, was ich dir gesagt habe?«
    »So weit ja. Aber ich verstehe nicht, was es mit dem heiligen Paulus zu tun hat.«
    Sir William ließ den Blick von Stephen zu Graf Hugh und wieder zurück huschen.
    »Paulus war Seleukide.«
    Stephen kniff verwirrt die Augen zu.
    »Seleukide? Du meinst halb Grieche und halb Araber? Aber er war doch ein Römer aus Tarsos.«
    »Es gab viele Römer, die Seleukiden waren. Möglich, dass er aus Tarsos stammte. Zumindest war es das, was er später in seinem Leben aller Welt eingeredet hat. In Wirklichkeit weiß niemand, wer Paulus war oder woher er kam. Niemand weiß etwas über sein Leben bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihn Gott angeblich vom Pferd geworfen hat und ihn vom Christenverfolger zum Missionar bekehrte. Doch damals gab es noch gar keine Christen, Stephen. Paulus dagegen, das belegen unsere Archive, war eigentlich ein mit Herodes blutsverwandter Herodianer namens Saulus, der unter anderem die vor den Toren Jerusalems lagernde römische Armee in die Stadt gerufen hat, um dort ›Frieden‹ zu schaffen. Dazu existiert ein Brief, den er Nero nach Korinth geschickt hat. Aber noch waren wir nicht bei Paulus, sondern bei der Kreuzigung.«
    William wandte sich an den Grafen.
    »Das solltest du übernehmen, Hugh. Ich habe nie vergessen, was du mir damals darüber erzählt hast, darum solltest du es

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