Der Schatz des Blutes
während er darauf wartete, dass Odo von Fontainebleau zu sprechen begann.
Dieser jedoch hatte es nicht eilig, weil er einfach nicht wusste, was er sagen sollte. Er wusste, dass er einen peinlichen Fehler begangen und seine Glaubwürdigkeit zerstört hatte. Jetzt wusste er nicht, wie er vorgehen sollte. Egal was er versuchte – der Mann, der ihm gegenübersaß, würde sich weigern mitzuspielen. Und Odo hatte – nicht zuletzt des Dolches wegen – Angst davor, zu weit zu gehen. Er wusste nur, dass Alice toben würde, wenn sie von seinem kläglichen Versagen erfuhr, und das, nachdem sie ihn genau instruiert hatte, welche Fragen er zu stellen hatte.
Schließlich war es St. Clair, der ihn aus seiner Not errettete und ihn in einem Ton ansprach, der nichts als Höflichkeit verriet.
»Ich schlage vor, Mylord, dass wir von vorn beginnen. Es steht fest, dass Ihr mich unter einem falschen Vorwand hergeholt habt, weil Ihr hofftet, mich einschüchtern und mir damit Antworten entlocken zu können. Ihr braucht mir nicht zu widersprechen, Mylord – ich weiß, dass ich Recht habe. Ich habe keine Ahnung, was Ihr von mir wolltet, aber ich habe nichts zu verbergen, und ich gestehe, dass ich neugierig bin, wonach Ihr sucht. Wenn Ihr also noch einmal beginnen möchtet, so können wir das tun.«
Odo starrte den jungen Ritter mit zusammengekniffenen Augen an. Die Wut kochte so heftig in ihm, dass sie ihm in der Kehle brannte, obwohl er nicht zuließ, dass sie ihm bis ins Gesicht stieg. Er wusste, dass ihm ein Ausweg angeboten wurde, doch er wusste nicht, was er damit anfangen sollte … bis er schließlich begriff, dass allein Alice in der Lage war, diese Farce zu beenden.
»Da ist … eine Dame«, begann er. »In meiner Bekanntschaft. Eine Gönnerin von großem Reichtum und Einfluss, die … Euch zu treffen begehrt, um einige Dinge von beidseitigem Interesse zu besprechen.«
»Das ist nicht möglich. Ich bin ein Mönch. Es kann keine Dinge von beidseitigem Interesse zwischen mir und einer Frau geben.«
St. Clair war schlagartig klar, wer die Frau war. Er konnte sich erinnern, dass de Payens einmal angemerkt hatte, Bischof Odo verbringe viel Zeit mit der zweitältesten Königstochter. St. Clair glaubte, es hätte sogar ein zu viel Zeit in der Bemerkung mitgeklungen.
Dennoch hätte er selbst die Prinzessin an diesem Punkt nicht erwähnt, doch Odo schüttelte bereits den Kopf.
»Glaubt mir, Bruder Stephen, Ihr braucht Euch nicht um die Regeln des Anstands zu sorgen. Die Dame, von der ich spreche, ist –«
»Ich weiß genau, von welcher Dame Ihr sprecht, Mylord. Aber selbst die Prinzessin ist von Gottes Gesetzen nicht ausgenommen. Es überrascht mich zu hören, dass Ihr etwas anderes glaubt.«
Zum zweiten Mal im Verlauf dieses kurzen Gesprächs schwieg Odo verblüfft, und St. Clair fürchtete, er hätte vielleicht zu viel gesagt. Der Bischof wusste eindeutig nichts von seiner Entführung durch die Prinzessin. Und sein selbstbewusstes Auftreten war für einen schlichten Mönch kaum zu erklären. Also sprach er weiter, um dem Bischof keine Gelegenheit zu bieten, seine Gedanken zu sammeln. Er erklärte mit einem verlegenen Lächeln, das ihm vorkam wie eine hölzerne Maske, warum er gleich auf den Namen der Prinzessin gekommen war.
Odo, so sagte er, habe von einer Frau von großem Reichtum und Einfluss gesprochen. Die Prinzessin und ihre Mutter seien die einzigen Christinnen von großem Reichtum und Einfluss, die er, St. Clair, je in Jerusalem gesehen habe. Eigentlich, so fügte er schüchtern hinzu, sei die Prinzessin überhaupt die einzige Edelfrau, der er begegnet sei, seit er das Soldatendasein begonnen habe. Daher sei ihr Name der einzige gewesen, der ihm sofort eingefallen sei, als Odo von einer einflussreichen Dame sprach, und so habe er angenommen … Er verstummte, ohne den Satz zu beenden, und murmelte nur noch, er könne sich nicht vorstellen, was die Dame wohl mit einem schlichten, ungewaschenen Mönch zu besprechen haben könnte.
Der Bischof runzelte die Stirn, dann nickte er. Er war zu sehr darauf konzentriert, seine eigene Haut zu retten, um die Motive seines Gegenübers zu hinterfragen. Als er sich geräuspert hatte, um seine Stimme möglichst gebieterisch klingen zu lassen, war sein Ton zwar ernst und gemessen, doch seine Worte klangen aufgeblasen und wenig überzeugend.
»Ich kann Eure Verwunderung verstehen, Bruder Stephen. Vielleicht beruhigt es Euch zu hören, dass die Dame nicht aus persönlichen Gründen
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