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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Payens und St. Omer zu verweisen. Es gab keine Hoffnung, dass diese beiden der Prinzessin unvorbereitet gegenübertreten konnten, ohne zu wissen, was sie gehört und wie sie es gedeutet hatte.
    Er dagegen stand sozusagen in einer Art Verbindung mit der Prinzessin, auch wenn diese beschämend und entwürdigend war. Möglicherweise ließ sich diese Verbindung ja wider besseres Wissen dazu benutzen, den Verdacht der Prinzessin zumindest so lange zu entkräften, bis die Ordensoberen eine Gegenstrategie entwickelt hatten.
    Also musste er es einfach versuchen – er musste Alice gegenübertreten und ihr die Stirn bieten. Ganz gleich, was aus ihm und seiner wiedergefundenen Keuschheit wurde. Er schüttelte ungläubig den Kopf, als ihm klar wurde, dass diese letzte Begegnung mit der Frau, die ihn entführt, festgehalten und entweiht hatte, wahrscheinlich einer der entscheidendsten Momente in der ganzen Ordensgeschichte sein würde.
    »Nun denn«, sagte er. »Führt mich zur Prinzessin.«
4
    S
    T. CLAIR STAND ALLEIN in einem Vorzimmer und starrte blicklos auf einen riesigen Wandteppich, der eine Rotwildjagd in einem bewaldeten Tal irgendwo in der Christenwelt darstellte. Sein Magen knurrte unangenehm, und die Galle stieg ihm beißend in die Kehle.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon wartete, seit ihn Bischof Odo in dieses Zimmer geführt und die Tür hinter sich geschlossen hatte, um sich auf die Suche nach der Prinzessin zu begeben. Er wusste nur, dass er seitdem den Wandteppich – abgesehen von einigen hässlichen Möbelstücken der einzige Einrichtungsgegenstand – bis ins letzte Detail studiert hatte, obwohl die Komposition des Bildes einiges zu wünschen übrig ließ. Daher war sein Blick längst nicht mehr bewusst darauf gerichtet.
    Dafür war ihm aber umso deutlicher bewusst, dass er nicht sauber war, und dieser Gedanke machte ihm zu schaffen. Normalerweise verschwendete ein Mann wie er keinen Gedanken an körperliche Sauberkeit, im Gegenteil. Sich selbst regelmäßig so zu waschen, dass man nicht stank, galt bei vielen als Schwäche und als Zeichen der Verweichlichung. Er hatte sich seit jenem Tag an dem Wasserloch in der syrischen Wüste nicht mehr gewaschen. Und da hatte er es nur getan, weil sich Hassan geweigert hätte, ihm seine Kleidung zu leihen, wenn er sich nicht die Schmutzkruste und die Exkrementenreste seiner Gefangenschaft vom Körper wusch. Das war gerade erst wenige Wochen her. Als Mönch brauchte er sich nicht öfter als zwei- oder dreimal im Jahr zu waschen.
    Seine Befangenheit rührte daher, dass er wusste, wie sehr es Prinzessin Alice anwiderte, sich in Gegenwart ungewaschener Menschen aufzuhalten. Sie war eine duftende Rose, die die herrlichen Bäder der Araber liebte. Selbst ihre Wachen waren sauber, wenn sie auch nicht so weit gingen, Parfum zu benutzen.
    Seine Gedankengänge wurden unterbrochen, als sich die Tür öffnete und Bischof Odo wieder eintrat, gefolgt von der Prinzessin, die dramatisch auf der Schwelle stehen blieb und St. Clair ebenso gebieterisch wie fragend ansah. Sie trug ein schimmerndes Gewand aus dem schönsten Stoff, den er je gesehen hatte, so leicht, dass es aus Nebel zu bestehen schien. Es war blasslila – er hatte die Farbe schon einmal irgendwo gesehen, vielleicht an einer Blume, doch er wusste es nicht mehr genau –, und darunter trug sie ein dichter gewebtes Kleid in einem herrlichen Rosa.
    Sie blieb nur ein paar Sekunden stehen, was St. Clair jedoch wie eine Ewigkeit erschien. Ihm wollte kein einziges Wort der Begrüßung einfallen, und er spürte, wie sein Gesicht und sein Hals rot anzulaufen begannen.
    »Bei meinem Leben, es ist der viel gepriesene Bruder Stephen, wie er leibt und lebt! Ich gestehe, dass ich mich geschmeichelt fühle und hochentzückt bin, selbst wenn ich es kaum glauben kann. Als mir der Bischof mitgeteilt hat, dass Ihr zu Besuch gekommen seid, dachte ich, er müsste sich geirrt haben. Denn es heißt, dass nur der scheue Wüstenfuchs seltener gesichtet wird als dieser edle Mönchsritter … Obwohl ich mir habe sagen lassen, dass der Fuchs die Kunst des Verschwindens nicht ganz so gut beherrscht, egal wie schnell er ist.«
    Ihrem Gesicht war nicht die geringste Spur von Humor anzusehen, doch St. Clair wusste, dass sie ihn neckte und auf ihre Begegnung auf dem Markt anspielte. Jetzt spürte er, wie sein Gesicht rot wurde.
    »Nun, Bruder Stephen, habt Ihr kein Wort des Grußes für mich? Kein brummiges Knurren, um mich in meine Schranken zu

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