Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
befand – der einzige Platz, der groß genug für die vielen Besucher war.
    Als sich dort alles erneut zusammengefunden hatte, enthüllte Papst Urban den wahren Grund für die Einberufung des Konzils.
    Mit dem untrüglichen Instinkt des geborenen Impresarios tat er dies so spektakulär, dass er mit einer einzigen leidenschaftliche Rede seine Zuhörer derart entflammte, dass völliges Chaos ausbrach und er eine religiöse Revolution entfachte.
    Der Papst sprach mit großer Eloquenz und stellte vom ersten Wort an klar, dass er nicht nur zu den Anwesenden sprach, sondern zu allen christlichen Königreichen des Westens. Trotz seiner anfänglichen Skepsis ertappte sich Hugh bald dabei, dass er sich von der Leidenschaft des Pontifex mitreißen ließ.
    Dieser berichtete von den grausamen Schwierigkeiten, denen sich die christlichen Brüder im Osten gegenübersahen, die von den Sarazenen und den seldschukischen Türken brutal unterdrückt wurden. So lebendig schilderte er die Gräueltaten, dass sich Hugh auf Montdidier stützen musste, der ihm am nächsten stand.
    »Sie entweihen und beschmutzen unsere Altäre«, sagte Urban, und seine Stimme hallte im verblüfften Schweigen seiner Zuhörer nach, als er jetzt den Höhepunkt seiner langen und detaillierten Schreckenslitanei erreichte.
    »Sie beschneiden Christen und gießen das Blut der Beschnittenen in die Taufbecken. Sie schneiden den Christen die Bäuche auf, knoten ihre Eingeweide an einen Pfahl und zwingen sie mit Speerstichen zu rennen, sodass sie sich die eigenen Gedärme herausreißen und tot zusammenbrechen.«
    Der Papst hielt inne und ließ den Blick über die entsetzte Menge schweifen, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten. Dann fuhr er fort.
    »Ich habe schon viele Berichte von solchen Zwischenfällen gehört, die mich aus vielen Quellen erreichen, und glaubt mir, wenn ich sage, dass es keine Einzelfälle sind. Es kommt im ganzen Osten täglich vor, von Jerusalem bis nach Byzanz …«
    Wieder hielt er inne, ohne dass sein Blick jedoch zur Ruhe kam.
    Dann sagte er: »Ich will Euch an die Worte unseres geliebten Erlösers Jesus Christus erinnern. ›Wer in meinem Namen sein Haus oder seine Brüder, seinen Vater oder seine Mutter, seine Frau, seine Kinder oder seine Ländereien verlässt, wird sie hundertfach zurückbekommen und das ewige Leben erlangen..‹«
    Seine Worte fielen in vollkommene Stille, denn die Menschen konnten nicht glauben, was sie gerade aus dem Mund des Papstes gehört hatten. Doch Urban war noch nicht fertig. Noch nicht ganz. Er sah sich um und streckte beide Arme aus.
    »Hört auf die Worte Gottes, meine Kinder, und Ihr, Ritter und Helden, hört das Rufen Eurer Brüder, die in den Ländern des Ostens unter den Fußtritten der Gottlosen sterben. Denkt nicht an Eure kleinlichen Streitigkeiten daheim und unter Freunden, sondern richtet Euren Blick auf den wahren Ruhm … die Heilige Stadt Jerusalem selbst schreit nach Erlösung! Macht Euch als Soldaten Gottes auf den Weg zum Heiligen Grab und entreißt diesen Missetätern das Land Gottes!«
    Die Stille dauerte noch etwa fünf Herzschläge an, gerade lange genug für Godfrey St. Omer, um sich mit offenem Mund umzudrehen und Hugh in die Augen zu sehen, dann explodierte der Nachmittag in einem einzigen Tumultschrei: »Gott will es so! Gott will es so!«
    Hinterher konnte niemand mehr sagen, wie – oder wer – es begann. Doch die Worte und die Stimmung breiteten sich aus wie ein vom Wind getriebenes Feuer im hohen, trockenen Gras, beinahe so, als hätte die skandierende Menge im Voraus geübt und nur auf diesen Moment gewartet. Der Graf und sein Gefolge waren genauso verblüfft wie alle anderen über den unerwarteten Verlauf der Dinge. Hugh war allerdings noch erstaunter über die Reaktion des Grafen selbst.
    Es war klar, dass der Papst seine Ansprache sorgfältig geplant hatte, um Ritter für einen Krieg zu rekrutieren, denn vorn in der Menge standen Priester, die große Vorräte an weißen Stoffkreuzen bei sich trugen und offensichtlich bestens auf den erwarteten Ansturm der Freiwilligen vorbereitet waren. Auch Hugh entging dies nicht, und sein Zynismus gegenüber der Kirche meldete sich auf der Stelle.
    Ebenso klar war es jedoch, dass niemand, einschließlich des Papstes selbst, mit einer derart heftigen Reaktion auf seine Rede und seinen gefühlsgeladenen Appell gerechnet hatte. Jeder, so schien es, jedes Mitglied dieser riesigen Menschenmenge – Ritter und Bürger, Jung und Alt, Frauen

Weitere Kostenlose Bücher