Der Schatz des Blutes
bevor er das Wort ergriff.
»Wir müssen morgen hier aufbrechen. Ich gehe davon aus, dass ihr alle die Annehmlichkeiten, die Fulk euch gewährt hat, in Fülle genossen habt?«
Die drei Freunde sahen einander überrascht an, doch nur Hugh antwortete.
»Morgen, Vater? Warum, ich dachte, wir würden –«
»Weil ich es sage. Ist das nicht Grund genug?«
»Doch, das ist es, verzeih mir. Ich wollte mich nicht respektlos zeigen. Es käme mir nicht in den Sinn, mich zu beklagen. Ich war einfach nur neugierig.«
»Ich weiß, und ich war einfach nur missgelaunt. Ich breche genauso ungern vorzeitig auf wie du, aber uns bleibt kaum eine Wahl. Der Graf hat mir befohlen, nach Payens zurückzukehren und dort mit den Vorbereitungen zu beginnen für … den November.«
»November –? Ist es uns gestattet zu fragen, was im November geschieht?«
»Aye, ich denke schon. Der Graf hat gerade aus Avignon die Nachricht erhalten, dass sich Papst Urban hier in unseren Landen aufhält. Er ist schon seit letztem Monat im Süden und Westen unterwegs und ist gerade aus Avignon aufgebrochen, um von dort nach Lyon und Burgund zu reisen. Doch auf dem Weg nach Avignon hat er in Le Puy ein Dekret erlassen, dass er ein weiteres Kirchenkonzil einberufen wird, wie er es im März in Piacenza abgehalten hat. Dieses wird in Clermont stattfinden, und es wird Mitte November beginnen. Jeder Kirchenmann und Adlige ist zur Teilnahme aufgerufen, denn anscheinend hat der Papst für diese Versammlung große Dinge vorgesehen. Zwar weiß niemand, was für Dinge, doch Graf Hugh hat mich beauftragt, in der Champagne die nötigen Vorbereitungen zu treffen, und dazu brauche ich eure Hilfe. Und ich warne euch, es wird nicht einfach … Es gibt viel zu tun, und wir haben nur erschreckend wenig Zeit dazu. Glücklicherweise ist der Großteil der Ernte bereits eingebracht, doch die Grafschaft ist alles andere als bereit zum schnellen Handeln. Aus diesem Grund brechen wir morgen auf, und auch das nur deshalb, weil es heute schon zu spät ist. Nun geht und tut, was ihr noch tun müsst, denn ich möchte bei Tagesanbruch unterwegs sein.«
WIE ES DER BARON vorhergesehen hatte, waren die folgenden sechs Wochen in der Tat bis zur letzten Sekunde mit jeder nur vorstellbaren sowie einer ganzen Reihe unvorstellbarer Aufgaben angefüllt. Doch als die Zeit der Reise nach Clermont gekommen war, war alles an Ort und Stelle, und der Graf brach in Begleitung des prachtvollsten Gefolges, das nach Ansicht selbst der ältesten Beobachter jemals die Champagne durchzogen hat, mit Prunk und Pomp auf, um dem Ruf des Papstes zu folgen.
Graf Raymond von Toulouse, ein guter Freund des Grafen Hugh, schloss sich mit seinem eigenen schillernden Gefolge an, und die Kavalkade, die sich nun in Bewegung setzte, war höchst beeindruckend.
Auch diesmal war das Triumvirat von Payens dabei, und nachdem sie die Anspannung der letzten sechs Wochen endlich hinter sich lassen konnten, waren sie nun bereit, so dachten sie, jedes theologische Geschoss abzufangen und zu neutralisieren, das ihnen die versammelten Priester womöglich entgegenschleudern würden.
Seit bekannt geworden war, dass es ein Konzil geben würde, wimmelte es vor Spekulationen über den Grund dafür. Bei der letzten derartigen Zusammenkunft im Frühjahr in Italien hatte Urban öffentlich eine Allianz zwischen der Westkirche, repräsentiert durch ihn selbst und Rom, und der Ostkirche, repräsentiert durch Alexius Comnenus, den Kaiser von Byzanz, ausgerufen. Jetzt fragten sich die Menschen, welche bahnbrechenden Ereignisse sie wohl in Clermont erwarteten.
SIE BRAUCHTEN NICHT LANGE zu warten.
Während der ersten neun Tage des Konzils debattierten die dreihundert teilnehmenden Geistlichen über eine ganze Reihe von Themen und trafen diverse Entscheidungen. Der Ämterkauf – der Kauf und Verkauf priesterlicher Ämter oder geistlicher Vergünstigungen – wurde für ungesetzlich erklärt. Auch die Priesterehe wurde mit dem Kirchenbann belegt. Und als Krönung wurde König Philipp I. von Frankreich wegen seiner ehebrecherischen Heirat mit Fulks Gemahlin Bertrade de Montfort, der Gräfin von Anjou, exkommuniziert.
Am letzten Tag des Konzils jedoch, als die Menschenmassen, die den Papst zu sehen und zu hören hofften, für die Kathedrale und das umliegende Gelände zu groß geworden waren, wurde die Zusammenkunft auf eine Wiese namens Champet verlagert, die sich am Ostrand der Stadt vor den Toren der Kirche Notre Dame du Port
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