Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
deine Sünde zu bestrafen«, hatte Mrs. Channing streng bemerkt. »Es wird dir hoffentlich eine Lehre sein.«
Die meisten Mädchen verließen im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren das Arbeitshaus. Entweder gingen sie in die Fabriken, oder sie fanden eine Anstellung als Küchenmädchen in den herrschaftlichen Häusern der Stadt. Jungen war ein solch langer Aufenthalt nicht vergönnt. Waren sie kräftig genug, wurden sie nicht selten bereits mit sieben Jahren zu einem Kaminkehrer in die Lehre gegeben. Dann mussten sie durch die Schlote kriechen, um diese von innen zu reinigen. Oft geschah es, dass die Kinder dabei abstürzten und in das heiße Feuer fielen.
Viermal im Jahr kamen Männer ins Arbeitshaus, die sich unter den Mädchen die größten und kräftigsten für diverse Anstellungen heraussuchten. Eine der Schwestern hatte mir einmal das Buch Onkel Toms Hütte zum Lesen gegeben. Seitdem verglich ich die Auswahl der Arbeitskräfte mit einem Sklavenmarkt, hütete aber meine Zunge, etwas Diesbezügliches zu äußern. Auch ich saß jedes Mal, wenn die Männer kamen, auf einem Stuhl in der Halle und malte mir aus, welches Bild sie sich wohl von mir machten, sofern sie sich mich überhaupt anschauten. Sie sahen ein junges Mädchen, hoch gewachsen und sehr schlank, mit mausbraunem, glattem Haar und einem durchschnittlichen Gesicht, das weder zu rund noch zu schmal war. Hin und wieder sprach mich einer an, der mir eine Stellung offerieren wollte. Dabei beobachtete ich, wie er meine Hände mit den feingliedrigen Fingern und den ovalen Nägeln kritisch musterte. Aber wir alle hier waren an harte Arbeit gewöhnt, Putzen, Wäschewaschen oder die Gartenarbeit wurden von uns Waisen erledigt. Deshalb nickte der Betrachter meist wohlwollend, wiesen doch die Schwielen an meinen Händen darauf hin, dass ich zupacken konnte. Aber spätestens, wenn ich mich erhob, huschte ein Erschrecken über ihre Gesichter, und schnell wandten sie sich dem nächsten Mädchen zu. Wer wollte schon jemanden einstellen, der offensichtlich ein Bein nachzog?
Ich war elf Jahre alt, als die Königin ihr goldenes Thronjubiläum feierte. Es war uns – natürlich unter strengster Aufsicht – erlaubt worden, den pompösen Zug durch die Straßen zu bestaunen. Viel zu schnell war es vorbei, doch ich hatte einen kurzen Blick auf die Königin erhaschen können. Trotz des feierlichen Anlasses war sie wie üblich ganz in Schwarz gekleidet, einzig die weiße Schleierhaube stach den Zuschauern aus dem Dunkel der geschlossenen Kutsche ins Auge. Sie lächelte nicht, hob nur ab und zu die Hand, um ihren getreuen Untertanen zuzuwinken. Den ganzen Tag feierten die Londoner ausgelassen, durch die dicken Mauern des Hauses drangen bis in den späten Abend Musik und Lachen von der Straße herein.
»Da draußen ist es so lustig, ich wünschte, ich könnte dabei sein!«
Mit sehnsüchtigem Blick stand Katherine am Fenster und starrte in die Dunkelheit. Ich trat neben sie, doch außer einem fernen Lichtschein war von der Fröhlichkeit, die auf den Straßen herrschte, nichts zu sehen. Katherine, drei Jähre älter als ich, würde in zwei Wochen in eine Waffenfabrik nach Wapping gehen. Sie war, nachdem ihre Eltern beide an einem Fieber gestorben waren, vier Jahre im Arbeitshaus gewesen.
»Warum gehen wir dann nicht nach draußen?«, mischte sich nun Enid in das Gespräch. Sie und Katherine waren bereits junge Mädchen, während ich noch ein kleines Kind war.
»Wir dürfen das Haus nicht verlassen! Außerdem ist das Tor schon längst verschlossen«, sagte ich.
Katharine lachte.
»Das ist es immer, sobald es dunkel wird! Aber glaubst du, das hat mich jemals daran gehindert, Spaß zu haben?«
Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Aber vielleicht durfte man ja, wenn man älter war, Dinge tun, die sonst von den Schwestern streng verboten waren? Enid klatschte in die Hände.
»Ja, lass uns gehen! Das ganze Land feiert seine Königin, nur wir sind hier wie in einem Gefängnis eingesperrt!«
»Aber wie wollt ihr das Haus verlassen?«, wandte ich ein.
»Im südlichen Garten steht ein Apfelbaum. Mit etwas Geschick gelangt man über seine Äste auf die Mauer. Auf der anderen Seite ist dann ein weiterer Baum, über den man hinunterklettern kann. Man muss nur aufpassen, dass sich niemand in dem angrenzenden Kirchgarten befindet.«
Mein Herz begann aufgeregt zu klopfen.
»Aber ist das nicht schrecklich gefährlich?«
Katharine lachte und strich mir mitleidig übers Haar.
»Natürlich ist es
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