Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
ungehindert erreichte ich mein Zimmer und drehte den Schlüssel hinter mir im Schloss herum. Während ich mich auskleidete, rannen mir die Tränen über die Wangen. Gleichzeitig verspürte ich ein nie zuvor gekanntes Glücksgefühl. War ich etwa dabei, eine hysterische Ziege zu werden?
Wie Recht ich mit meiner Einschätzung über Harrisons Stolz hatte, zeigte sich am nächsten Tag. Mr. Grindle, James’ Vater, suchte das Kontor auf, unmittelbar danach stürmte Harrison wütend in den Salon, wo er mich in einem Buch lesend vorfand.
»Wie kommen Sie dazu, den Grindles die Gerstenernte der westlichen Felder zu verkaufen?«
Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, und an seiner Schläfe pochte zornig eine Ader. Bedächtig erhob ich mich, hatte aber dennoch das Gefühl, dem Verwalter nicht nur körperlich unterlegen zu sein.
»Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich mich im Irrtum befinde, Mr. MacGinny, aber das Getreide gehört zu meinem Besitz. Folglich kann ich es veräußern, an wen ich möchte. Meines Erachtens besteht für Cromdale kein zwingender Grund, die Ernte einzulagern, auf dem Grindle-Hof wird sie dagegen dringend benötigt.«
»Sie ...« Er trat drohend auf mich zu, doch ich wich keinen Schritt zurück. »Ich bin Schotte, lebe beinahe mein ganzes Leben hier und verstehe die Leute. Sie hätten es mit mir absprechen müssen!«
Bezüglich der letzten Bemerkung musste ich ihm allerdings Recht geben, hütete mich jedoch, es ihm zu sagen. Kühl bemerkte ich:
»Sind Sie mit Mr. Grindle handelseinig geworden? Ich glaube, dass er einen guten Preis geboten hat.«
Harrison beantwortete mir diese Frage nicht, womit ich gerechnet hatte. Zornig und stolz blitzten seine Augen auf. »Es steht Ihnen frei, Cromdale selbstständig zu leiten. Wenn Sie es wünschen, verlasse ich den Besitz noch heute.«
Seinem Blick sah ich an, dass er wusste, dass ich wusste, dass es ein schwacher Versuch einer Erpressung war. Harrison MacGinny wollte seine Grenzen austesten, sehen, inwieweit er in der Lage war, mich unter Druck zu setzen. Nein, ich würde mich nicht entschuldigen, ihn nicht anflehen zu bleiben! Es gab noch andere gute Verwalter in Schottland.
»Es steht Ihnen frei zu tun, was Ihnen beliebt«, antwortete ich. »Sie wissen, dass Sie für meinen Großvater unentbehrlich waren. Keiner kennt den Besitz so gut wie Sie. Wenn Sie nicht akzeptieren können, künftig nicht mehr völlig freie Hand zu haben, ist es vielleicht besser, wenn Sie sich nach einem anderen Posten umsehen.« Ich ging an ihm vorbei zur Tür. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Es wartet noch Arbeit auf mich.«
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass ich Harrison verblüfft hatte. Weder er noch ich hatten den kleinen Vorfall der vergangenen Nacht erwähnt. Wahrscheinlich konnte er sich daran gar nicht mehr erinnern. Während ich im Garten Blumen schnitt, überfiel mich leichte Panik, wenn ich daran dachte, dass Harrison Cromdale tatsächlich verlassen würde. Dabei ging es mir aber nicht darum, dass ich mir dann einen neuen Verwalter suchen müsste.
Ich befolgte James’ Rat und suchte in den nächsten Tagen die verschiedenen Pächter auf. Überall wurde ich neugierig, aber freundlich begrüßt. Manchmal gab es leichte Verständigungsschwierigkeiten, denn teilweise sprachen die Leute mit einem solch starken schottischen Akzent, dass ich Mühe hatte, die Worte zu verstehen. Besonders die Älteren waren kaum der englischen Sprache, so wie ich sie kannte, mächtig. Aber schließlich klappte es doch, und oft wurden mir Apfelmost, Holunderbeerwein und die kleinen Haferkekse angeboten. Es war offensichtlich, dass die Menschen sich freuten, auf Cromdale wieder einen Herrn zu wissen, auch wenn es sich um eine hinkende Frau handelte, denn ein Verwalter war eben nur ein Verwalter! Sorgsam notierte ich mir die Pachtsummen, welche mir genannt wurden, und auch sonstige Kümmernisse, die die Leute betrafen. Bei den Drumbies tropfte es durch das Dach, auf dem Land der Badicauls wütete seit Tagen ein Fuchs, der beinahe jede Nacht ein Schaf riss. Ich würde es Harrison sagen, damit er sich darum kümmerte. Natürlich konnte ich ihn auf den von James geäußerten Verdacht, er würde Pachtgelder unterschlagen, nicht direkt ansprechen. Dazu müsste ich erst die Bücher überprüfen, um festzustellen, ob alles korrekt war. Zu diesem Zweck ging ich ins Kontor, das ich leer vorfand. Ich setzte mich an den Schreibtisch. Beinahe meinte ich, der Stuhl sei noch warm und
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