Der Schatz in der Drachenhöhle
einem Holzgerüst. Längsstäbe für die
Längsstabilität. Querspanten halten die Form und verleihen Querstabilität. Über
das Holzgerüst wird eine wasserdichte, mehrfach beschichtete Haut gespannt. Es
gibt sogar Faltboote mit eingearbeiteten Lufttanks und Kenterschläuchen, was
den Kahn natürlich bedeutend sicherer macht. Zweier-Faltboote sind bis zu fünf
Meter lang. Das leichteste Modell wiegt nur 24 Kilo. Bis in die sechziger Jahre
hinein ist das Faltboot sozusagen identisch (ein und dasselbe) gewesen
mit dem deutschen Kanusport. 1907 fabrizierte der Rosenheimer Schneider Johann
Klepper das erste — nach der Idee eines Münchner Studenten. Bald wurden sie
serienmäßig hergestellt. Ihre Glanzzeit erlebten sie in den zwanziger und
dreißiger Jahren. Bereits 1914 wurde dann der Deutsche Kanu-Verband gegründet,
der bis heute den Wander- und Wettkampfsport fördert. Faltbootrennen wurde 1936
sogar olympische Disziplin. Und ein gewisser Herbert Rittlinger befuhr mit
einem Faltboot den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung. Dann...“
„Da schaffen wir aber mehr mit unserem
Canadier!“ rief Klößchen. „Wir durchpaddeln den Mississippi, den Amazonas, den
Ganges und den Nil auf einen Rutsch.“
„Aber wir werden nicht schaffen“, fuhr
Karl fort, „was dem Arzt Dr. Lindemann 1952 gelang: nämlich die
Atlantik-Überquerung in einem Faltboot.“
„Das wäre nichts für mich“, meinte
Gaby. „Man sieht im Atlantik keine Ufer, und auch die Wellen sind viel höher.“
„Andererseits“, Tarzan lachte, „sieht
man auch nichts von den Höllenengeln.“
6. Nachts im Strom
Sie paddelten den ganzen Nachmittag.
Kilometer um Kilometer legten sie zurück. Die Sonne schien. Ringsum zeigte sich
die Natur in der ganzen Fülle des Sommers. Es wäre herrlich gewesen — ohne die
Höllenengel.
Die anfängliche Hoffnung, die Rocker
würden irgendwann aufgeben, schwand mehr und mehr, je später es wurde.
Jetzt war früher Abend. Die Sonne sank
hinter die Hügel im Westen. Der Himmel wurde in blutiges Rot getaucht. Die
Bäume am Ufer warfen lange Schatten aufs Wasser.
Die beiden Rockergruppen blieben
manchmal etwas zurück. Manchmal fuhren sie ein Stück voraus. Aber sie waren
immer in der Nähe. Wenigstens einige von ihnen behielten das Kanu im Auge.
„Wie soll das nur gutgehen?“ Gabys
Stimme zitterte. „Am besten, wir schalten die Polizei ein!“
„Damit wäre uns nicht geholfen“, meinte
Tarzan. „Was wollen wir denn Vorbringen gegen die Rocker? Daß sie uns mit
Steinen beworfen haben? Die streiten doch alles ab. Und wir haben keine Zeugen.
Daß sie uns auf der Straße begleiten, ist nicht verboten. Vorläufig, Gaby,
hätte die Polizei keinen Vorwand, um dieses Geschmeiß einzusperren. Man würde
sie höchstens verwarnen, und das ist denen doch schnurzegal.“
„Wir können nicht die Nacht
durchpaddeln!“ rief Klößchen. „Ich habe schon ganz dicke Flossen.“
„Hättest du Hirschtalg genommen!“
„Vorhin habe ich mich eingerieben.
Soooviel hilft das nicht.“
Sie paddelten weiter. Alle waren
hungrig. Nur Oskar, den Gaby im Kanu gefüttert hatte, führte sich satt und
zufrieden. Ihm schien auch das Flußwasser zu schmecken, das Gaby ihm in seinen
Napf schöpfte.
Dämmerung brach an. Aber man konnte
noch weit sehen. Ein Stück voraus war der Strom von steilen Felsen gesäumt. Die
Straßen verliefen irgendwo im Hinterland.
Als sie die Felsen passiert hatten,
wurde das Ufer wieder flach. Einige Zeit später näherte sich auch die Straße — rechts
— dem Strom. Laster fuhren dort und Personenwagen. Von den Rockern war nichts
zu sehen.
„Ich glaube, sie sind umgekehrt“,
frohlockte Karl.
Gaby deutete zum rechten Ufer, wo eine
von Büschen umstandene Wiese als idealer Rastplatz einlud.
„Mir tut der Po weh. Hunger habe ich.
Außerdem schlafen mir die Füße ein. Ich will jetzt an Land.“
Sie steuerten hinüber. Tarzan sprang
ans Ufer. Er hielt das Kanu an der Leine fest. Gaby hob Oskar aufs Trockne.
Karl balancierte so ungeschickt, daß der Canadier bedenklich schwankte.
Klößchen brüllte schon um Hilfe, weil er glaubte zu kentern. Aber sein Geschrei
wurde vom Röhren der Motorräder übertönt.
Wie aus dem Nichts brausten die Rocker
heran. Mochte der Himmel wissen, in welchen Mulden oder hinter welcher
Baumgruppe sich die heimtückischen Kerle versteckt hatten. Beide Gruppen waren
wieder vereint, und der Abstand betrug nur noch 100 Meter.
„Jetzt aber Tempo!“ meinte
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