Der Schatz von Njinjo (German Edition)
prächtigsten an der ostafrikanischen Küste zählte. Die Grundmauern des Forts errichteten arabische Kaufleute vor über 600 Jahren, zu einer Zeit, als es hier noch nirgends Europäer gab. Schon im frühen Mittelalter handelten sie von hier aus mit Elfenbein und Eisenerz bis nach China. Die Ruinen der Umgebung sprechen Bände. Nur kurz gelang es den Portugiesen Anfang des 16. Jahrhunderts, die Stadt zu erobern, schon wenige Jahre später traten sie die Herrschaft wieder an die Araber ab. Erst seit im 19. Jahrhundert ein zweiter Hafen dreißig Kilometer nördlich in Kilwa Kivinje entstand, geht es mit dem Ort bergab.
Dicht von Mangrovenwald umschlossen befindet sich hier das größte bekannte vorkoloniale Gebäude Schwarzafrikas, Husuni Kubwa, ein Palast mit über 100 Zimmern unter einer dreißig Meter hohen Decke. Wenige Meter weiter stehen zwei Moscheen und Kuppelbauten mit 800 Jahre alten Grundmauern sowie ein halbes Dutzend anderer historisch bedeutsamer und prächtig erhaltener Trümmer.
Bei Ebbe muss man weit hinaus waten, um zu einem der Segelbötchen zu gelangen, die an der Wasserkante auf Passagiere zum Übersetzen warten. Petermann treibt sich einige Zeit auf der Pier herum und versucht, mit einem der Salzträger ins Gespräch zu kommen. Erfolglos. Niemand der Männer spricht mehr als zwei Brocken Englisch geschweige denn einen einzigen Satz Deutsch. Der Kapitän allerdings weilt noch nicht unter ihnen, er käme „ after sleep – wadding “. Muss erst geweckt werden, eingepackt in Watte? Das könnte passen.
Kurz darauf sieht der Deutsche einen Mann von Bord eines der Segelbötchen kommen. Will Petermann weiterhin nicht auffallen, muss er einmal zu den Ruinen rüber, das ist gesetzt. So kommt er ja auch außer Sicht von Polizei und Hafenmeister. Als der Seemann nahe genug ist, geht Petermann auf ihn zu und fragt, untermalt von wegweisenden Händen, ob und wann er denn zurück auf die Insel führe. In Zeichensprache wird nun verhandelt, bald ist man sich einig. Vorab aber will der Fährmann den Passierschein sehen, der ihn vor Ärger schützt. „ Permiti, tafadhali! “ Dann stapft er zurück zu seinem Boot und Petermann ihm hinterher. Hin- und Rückfahrt sollen fünftausend Shilling kosten.
Sobald das Segelboot Wasser unterm Kiel hat und in den Wind gerät, wird dem Gast an Bord schnell flau im Bauch. Welch abenteuerlicher Transport mit einem solchen Bötchen auf dem Ozean! Die Überfahrt verläuft ohne viele Worte, niemand versteht den Fremden hier. Direkt vor dem meterhohen, gähnend leeren Tor des Forts steuert der Fährmann sein Boot auf Grund, so dass Petermann fast trockenen Fußes an Land gehen kann.
Bevor er zur Besichtigung der Ruinen kommt, wird er einem zahnlosen Alten vorgestellt. Der Mann, offenbar der Bürgermeister der Inselgemeinde, stützt sich auf einen Stock, der Würde verheißt, und trägt einen langen hellen Kaftan. Sein Kopf ist bedeckt von dem hier üblichen weißen Fes mit goldenem Stickrand. Der alte Mann heißt den muzungu mit drei Worten Englisch freundlich willkommen. Doch seine Haltung drückt Bedauern aus. Leider gebe es hier nirgends gekühlte Getränke – „ No electricity, no drinks! Thiefs! Stole Solar panels! “ – und derzeit auch niemanden, der genügend Englisch spricht, um Touristen die Ruinen zu zeigen. So lässt sich Petermann nur den Weg weisen und wandert wild drauflos.
Einige neuere Erklärschilder helfen ihm, die Bauten, Ornamente, Säulen, Bögen, Korallenmauerreste und Kuppeln historisch einzuordnen. Unter manchen der uralten Moschee- und Palast-Gewölbe wähnt er sich wie in einem architektonischen Wunderland: Wie haben diese Gebäude, seit Jahrhunderten unrenoviert, nur so lange dem tropischen Feuchtklima trotzen können? Nach gut zwei Stunden aber ist er zurück beim Boot.
Als er nachmittags wieder aufs Festland zusteuert, erfüllt von exklusiven Eindrücken aus acht Jahrhunderten, sieht Petermann schon von weitem Sam Masisi am Ufer stehen. Er ahnt nichts Gutes, doch der Kneipier empfängt den muzungu völlig locker.
„Na, haben Sie Ihren thrill gehabt?“, empfängt er den Deutschen.
„Ja. Schlicht einmalig, was vor so langer Zeit architektonisch schon möglich war“, schwärmt der deutsche Gast.
„Aus so verschiedenen Zeiten! Erst die Shirazis, Araber, dann Portugiesen und unsere Omani-Zanzibaris, die Sklaventreiber“, pflichtet ihm Masisi bei. „Ha’m sich alle ganz gut vermischt, damals. – Haben sie das fehlende
Weitere Kostenlose Bücher