Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Kaution hinterlegen: Derzeit kommt kein Auto über Nangurukuru hinaus. Im Hinterland herrscht seit gestern mal wieder Land unter, alle Straßen unpassierbar.“
Die Nachricht schreckt Petermann auf. „Wieso das? Ich hab vom Regen gar nichts mitbekommen.“
„Das ist normal. Haben Sie gestern Nacht nicht die Blitze, das Wetterleuchten am Himmel bemerkt? Während in Kilwa die Sonne scheint, stürzen zehn Kilometer landeinwärts sintflutartig Ozeane vom Himmel. Bis wir das merken, vergehen schon mal Tage. Ich hab’s heute Morgen im Radio gehört.“
„Das heißt, Orte, die nicht von See aus erreichbar sind oder an einem Flussufer liegen, sind von der Außenwelt abgeschnitten?“
„Ja, und selbst die Flüsse sind im Moment nur schwer passierbar. Die Menschen sind auf sich allein gestellt, wie meist. Man kann nur hoffen, dass nicht zu viele akut Hilfe brauchen. Wenn Sie von Kilwa aus in diesen Tagen wirklich etwas unternehmen wollen, machen sie das auf jeden Fall am besten mit dem Schiff. – An was hatten Sie denn eigentlich gedacht? Noch mehr Ruinen?“
„Oh ja, z.B. an einen Trip zu den Ruinen auf Songo Mnara oder auf die sagenumwobene Songo-Songo- Insel.“ Ohne zu zögern fährt Petermann fort: „Auch in Njinjo sollen sich sehenswerte Relikte aus der Kolonialzeit befinden.“
„In Njinjo? Ausgerechnet dort? Nie davon gehört. Die Inseln schon, aber dieses mickrige Dorf am Matandu? Das liegt doch derart abseits, wie sollen denn da früher Menschen hingekommen sein ...“
„Deutsche Siedler ...“
„Na ja, ihre Idee mit Songo Songo jedenfalls können Sie gleich vergessen. Das ist Sperrgebiet, seit das dortige Gasfeld mal wieder vergrößert wird. Fliegt dauernd was in die Luft!“
„Gas?“
„Ja, Erdgas in Hülle und Fülle, das auch Dar es Salaam mit Energie versorgt. 200 Kilometer Pipeline unterm Meer und Busch, und das bei uns!“
„O.k., aber wie steht’s mit Njinjo? “
„Da müssten Sie schon ein halbwegs belastbares Wasserfahrzeug auftreiben, dass sich durch das ganze Treibgut auf dem Matandu kämpfen kann und bei Ebbe dem Auflaufen auf Sandbänken standhält. Besser wär wohl ein Hubschrauber, aber davon gibt’s in ganz Tanzania kaum mehr als ein Dutzend. Der einzige mietbare, von dem ich weiß, steht bei Whirlwind in Dar es Salaam.“
Petermann schluckt. „Und wo gäbe es passende Schiffe?“
„Normalerweise ebenfalls nur in Dar’. Aber Sie haben Glück: Zufällig liegt einer dieser Kähne gerade unten an der Pier. Können Sie gar nicht verfehlen, ist das einzige Motorboot im Hafen.“
Petermann hatte fast schon aufgeben wollen. Aus der Traum vom Schatz. Jetzt aber wittert er Morgenluft.
„Natürlich brauchen Sie auch für eine eventuelle Seefahrt ins Hinterland, nach Njinjo, einen Passierschein ...“, beendet Masisi den Gedanken.
„Natürlich. Könnten Sie mir den ausstellen?“
„Werd’ mal sehen. Reden Sie erstmal mit dem Kapitän des Kahns, dann sehen wir weiter. Vielleicht traut der sich ja gar nicht auf den Fluss ... Wollten Sie sich nicht die Ruinen drüben auf der Insel anschauen?“ Das hätte Petermann fast vergessen. Um seine Tarnung aufrechtzuerhalten, bedankt er sich und wandert dann mit dem Passierschein in der Tasche gemächlich die Straße zum Hafen hinab.
In der Bucht, wo es außer einem Anleger aus Beton weder Kran noch andere Ladehilfen gibt, befindet sich tatsächlich nur ein einziges größeres Schiff, ein dickbäuchiger, vielleicht fünfzehn Meter langer Kahn aus Holz. Jetzt, bei Ebbe, scheint er auf Grund zu liegen, die Aufbauten verschwinden meterhoch unterm Kai, nur der Mast reicht über die Betonplatten auf der Pier hinaus. Das kastenförmige Führerhäuschen ist weiß-blau bemalt, der Rest des Schiffskörpers wirkt, als wäre er naturbelassen.
Drei, vier kräftige junge Männer bemühen sich gerade, schwere Salzsäcke, die am Ufer aufgetürmt wurden, in die Nähe des Schiffs zu wuchten. Noch ist der Haufen an Land viermal so hoch wie der auf dem Anleger. Petermann schwant, dass er nicht warten kann, bis alle Säcke im Boot verstaut sind. Dann könnte das Schiff zu schwer für eine Flussfahrt werden. Beladen allerdings wird der Kahn sicher nicht vor Eintreffen der Flut, wenn das auflaufende Meer das Boot auf gleiche Höhe mit dem Kai hievt.
Am Horizont erkennt Petermann auf einer Insel die steilen Mauern des Forts Gereza, für das Kilwa berühmt ist. Einst beschützte es die Siedlung Kilwa Kisiwani, die zu den mächtigsten und
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