Der Schatz von Njinjo (German Edition)
wie es in Moshi so zugeht, ob es wirklich Schnee da oben gebe, und so weiter. Am meisten wissen wollen Majorie, Honoratas bildhübsche Freundin, bei deren Anblick mir die Luft weg bleibt, und Sprössling Yahya. Viel Zeit bleibt ihnen zum Glück dafür nicht, denn Yahya muss zur Schule und Majorie zur Arbeit. Sie ist nahe dran, mich innerlich zu ruinieren.
Auch Nyaucho, das Familienoberhaupt, muss weg in die Stadt, wo er als Verkäufer im Tuchladen eines Asiaten arbeitet. Schon fünfzehn Jahre, wie er stolz erzählt. Das dort verdiente Geld reicht zwar vorne und hinten nicht für aller Unterhalt, aber er hat es trotzdem ganz gut getroffen. Sein Chef hat ihm günstig Haus und Hütten vermietet, gibt einen Zuschuss zum Fahrgeld und zahlt selbstredend auch die Medikamente, wenn’s jemanden aus der Familie mal erwischt. Was an Geld fehlt, müssen die Töchter mit nach Hause bringen. Wie sie das machen, bleibt mir vorerst schleierhaft. Von Majorie, der Ältesten, erzählte Honorata immerhin, sie dolmetsche irgendwo und mache dort „Karriere“.
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11. Hannes wünscht, er wär Tourist
Ich bin mit Nyaucho mitgegangen, als er zur Arbeit fuhr, mit dem daladala in die City. Jetzt werd ich mich beweisen. Wie findet man einen hellhäutigen, etwas zu dick und klein geratenen muzungu in einer Millionenstadt wie Dar es Salaam?
Als wir in Temeke losfuhren, schien mir alles ganz einfach. Ich würde von Hotel zu Hotel ziehen und einfach rumfragen. Jetzt, am Rand der Innenstadt, Kilometer von zig Hotels entfernt und doch nah dran an den bekanntesten, fühle ich mich ziemlich verloren. Welch aussichtsloser Quatsch! Wie viele Hotels mag es in Dar wohl geben? Und wo überall? Wie soll ich die bloß alle finden und abklappern? Mehr als ein, zwei Tage wird mir dieser Schutte dafür zudem kaum lassen. Als Erstes brauche ich mal einen Stadtplan. Dann sollte ich die Etablissements vielleicht ein bisschen filtern: So einer wie Schutte wohnt kaum in der letzten Absteige. In Moshi logierte er im besten Haus am Platz. Das dürfte in Dar es Salaam der mittleren Kategorie entsprechen: Zimmer mit eigenem Bad und täglich Wäschewechsel, abschließbar, heile Fenster, Klimaanlage vielleicht defekt, Strom und Wasser öffentlich. Oder braucht der Deutsche mehr Komfort? Hoteleigener Brunnen und Generator inklusive? Welche Hotels gibt es hier überhaupt?
Kürzlich habe ich einen Film über Kenyaner gesehen, denen man Geld geschenkt hatte, um ihr eigenes Land zu bereisen. Einen Film über Leute, die dort aufgewachsen waren, und nun als Touristen ihr Land kennenlernten. Sehr amüsant! Die Leute erfuhren Dinge über ihre Heimat, von denen sie zuvor noch nie etwas gehört hatten. Dass es in jeder größeren Stadt extra Touristen-Polizisten und ein Krankenhaus für alle gebe, zum Beispiel. Kein Wort von den horrenden Gebühren, die die Rezeption verlangt, bevor eine Schwester oder ein Arzt auch nur einen Handschlag rühren. Sogar einen flying doctor service gibt es, Notärzte mit eigenen Flugzeugen, die man anfordern kann, wenn man vorab bezahlt. Auch von städtischen Büros war die Rede, die für Touristen eingerichtet wurden, wo man alles fragen kann und wo es farbenprächtige Broschüren über Tierparks, Strände, Flora, Fauna, Feste, Hotels und Unterkünfte gibt, Erinnerungsstücke unerfüllter Träume, sozusagen. Von einem Büro für einfache Menschen in irgendeiner Stadt in Tanzania, wo es Antworten auf die einfachsten Kleineleutesorgen gibt, hab ich hingegen noch nie etwas gehört.
So ein Touristen-Büro aber müsste es doch eigentlich auch in Tanzanias Metropole geben. Ohne ein paar grundlegende Informationen über die Hotels hier werde ich Schutte kaum wiederfinden. Dafür aber in einem dieser neumodischen Internetcafès Geld auszugeben, wo jede Minute 100 Shilling, jeder Ausdruck 300 kostet, wird mir zu teuer. Und ich sollte ihn rasch finden, denn wenn er erstmal wieder weg ist, verliert sich seine Spur. Also muss ich mich im eigenen Land zum Tourist erklären! Dann öffnen sich vielleicht Türen, hinter denen sonst verborgen liegt, was ich so dringlich suche.
Am Kariakoo-Busbahnhof, an dem Nyaucho mit mir ausgestiegen ist, frage ich herum, wo es in Dar es Salaam ein Informationsbüro für Touristen gebe. Hinterm dritten Ticketschalter hat die Verkäuferin schon mal was davon gehört. „ Tourist Information? Sowas gibt’s bestimmt in den Hotels. Aber du, du bist doch kein muzungu !“
„Egal. Wo meinst du denn? In welchem?“
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