Der Schatz von Njinjo (German Edition)
dich heute Nacht noch einmal laufen lassen? Also bleib lieber hier und bezahl für eine Nacht.“
Immer noch leicht bibbernd, trotz nachlassender Angst, willige ich todmüde in den Handel ein. Fünfhundert Shilling werde ich wohl entbehren können. Ich drücke ihr den Schein in die Hand, dann reicht mir die mama zwei Decken und verschwindet hinter einem quer durch den Raum gespannten Vorhang. Ich such mir einen freien Platz, lege meinen kleinen Rucksack zur Seite, breite eine der Decken unter mir aus, ziehe die zweite über Bauch und Ohren, und weile schon bald unter den Schnarchenden.
Viel zu früh weckt mich das Gemurmel der vielen Männer. Draußen ist es noch stockduster. Einer meiner Nachbarn hat eine Armbanduhr, die die Zeit europäisch anzeigt: Fünf vor sechs. Wenige Minuten später scheint vor der Tür gleißend hell die Morgensonne. Null Uhr, der Tag beginnt. Ich schnappe mir meinen Rucksack, lasse die Decken einfach liegen und mache mich auf den Weg zu Honoratas Bekannten.
Jetzt, im Hellen, sieht die Welt gleich weniger feindlich aus. Die umstehenden Häuser allerdings wirken ähnlich grau wie gestern Nacht. Sie gleichen sich. Viereckig mit rostigen Wellblechdächern reiht sich Haus an Haus, früher mal weiß getüncht, Zentimeter hoch kriecht überall schimmlig Feuchtigkeit in die Lehmwände, davor die unbefestigte, braunrote Straße samt übel riechender Rinnsale. Keine zehn Meter sind die Grundstücke breit, vor den Gängen dazwischen bieten senkrecht in den Boden gerammte Wellblechbahnen und verrostete Eisenbahnschwellen Sichtschutz. Überall riecht es nach Urin und verbrannter Holzkohle, Dreck allerdings liegt kaum herum.
Zurück zur Ecke, an der letzte Nacht das daladala hielt, dann alles noch mal von vorn. Es hat geregnet in der Nacht, die Schlaglöcher sind randvoll mit erdbraunem Wasser. Der richtige, der östliche Weg, den ich gestern verpasste, unterscheidet sich in nichts von seinem westlichen Gegenstück. Weit und breit kein Asphalt, wild durcheinander baumelnde Telefonleitungen, ab und an eine Palme, irgendwo hoch oben surrt auch Strom. Ich frage zwei Frauen nach Haus Nummer zehn. Zwischen duftenden Plastikschüsseln haben sie gerade damit begonnen, kleine Imbissstände aufzubauen, um ihren täglichen Geschäften nachzugehen. Danach ist das Anwesen von Honoratas Bekannten schnell gefunden.
Ein älterer Herr begrüßt mich dort aufs Freundlichste. „ Karibu! Honoratas Neffe? Hujambo! Was die doch für einen großen Neffen hat! Komm rein, mein Junge, sei unser Gast! Wir haben schon gestern mit dir gerechnet! Ich bin Nyaucho Kabako, Majories Vater, die, die mit Honorata so dicke ist. Wie geht es ihr?“
„ Sijambo, mzee! Meiner Tante? Als ich wegfuhr, war sie in allerbester Verfassung: Kämpferisch wie eh und je, und gut im Geschäft.“
„In welchem Geschäft?“
„Na, bei ihrer Familie.“ Ich will nicht gleich zuviel erzählen; die Sache mit der Schatzsuche hört sich ja doch etwas verschroben an.
„Und wie geht es ihren Eltern?“
„Gut, gut, so viel ich weiß.“
„Und den deinen?“
„Auch gut, noch vorgestern saßen wir beim großen Weihnachtsschmaus zusammen.“ Das hätte ich vielleicht nicht erwähnen sollen, nachher denkt der alte Nyaucho noch, ich komme aus reichem Hause. „ Mzee , wie geht's denn hier so ihren Leuten?
„Oh, auch gut, danke. Mein treues Weib Brigitte stampft gerade Brei fürs Frühstück, das kann ich riechen. Also geht es ihr wohl gut. Dann sind da noch irgendwo meine vier Töchter Majorie, Amina, Alice und Zuleha, denen geht’s wohl auch ganz gut, nichts, von dem ich wüsste. Die müssen bald zur Arbeit. Bislang hat sich keine krank gemeldet, also geht es denen prächtig. Sie wohnen hinten auf dem Hof und sind anscheinend noch beim Waschen. Zuguterletzt: unser Kleinster, Yahya, mein ganzer Stolz. Der wird bald zwölf! Zuleha bringt ihn nachher zur Schule. Ein schlaues Kerlchen!“
Nachdem mir Nyaucho seine Sippe vorgestellt und auch von sich ein wenig berichtet hat, setzen wir uns zu den anderen in den Hinterhof. Auf dem Feuer steht ein Topf Milchtee, Nyauchos Frau Brigitte reicht mir, dem Gast ihres Mannes, mit einem Gruß eine Tasse und einen Kloß gekneteten Maisbrei, von dem ich mir ein Stück abreiße. Allmählich sammelt sich die ganze Familie um den Tee und beginnt, mich auszufragen. Woher ich komme, wie ich mit Honorata verwandt sei, die doch so offensichtlich jünger ist als ich, was ich in Dar es Salaam bloß wolle,
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