Der Schatz von Njinjo (German Edition)
gestern! Petermann merkt, wie ihm schon allein beim Gedanken angst und bange wird, noch mal in die Nähe des Orts zu kommen, wo er letzte Nacht beinah entführt und derart dreist beklaut wurde. Doch den Metalldetektor kann er vergessen, wenn er nicht rasch und überfallartig handelt. Das Wiederauftauchen im „Continental“ birgt zweifellos Gefahren, woanders aber kriegt er so schnell kein Metallsuchgerät her. Zuvor noch die Karte, anschließend sollte er so schnell wie möglich aus der Stadt verschwinden.
Als nach einer knappen Stunde noch immer niemand vor seiner Zimmertür aufgetaucht ist, wagt der Deutsche einen Blick in den Flur. Auch dort wartet niemand. Ermutigt fährt er ins Erdgeschoss und kündigt sein Zimmer für morgen früh. Mehr als 500 Euro für drei Nächte, wo hat er das zuletzt bezahlt? Doch wenn er heute nicht aktiv wird, kann er sich alle Ambitionen abschminken, Finns Erbe irgendwie noch aufzutreiben: Spätestens ab morgen dürfte die Polizei hier nach ihm suchen. Von Finn noch weiß er, wie er Dar es Salaam verlassen wird: Samstagmorgen neun Uhr früh fährt ein Schiff gen Süden.
Vom „Serena“ zum Nationalarchiv geht man kaum zehn Minuten. Als der Pförtner den muzungu sieht, geht er sofort auf Habacht. Was für ein Verkehr die letzten Tage! „1916“ und das Wort „Kopie“ reichen, und Petermann wird ohne weitere Fragen direkt ins Vorzimmer des Direktors geführt: „Direktor Roh erwartet Sie!“ Das Personal ist vorgewarnt: Personen mit seltsamen Kriegsinteressen sind ab sofort Chefsache!
Hinter einem massiven Tisch aus Ebenholz sitzt Rohs Sekretärin. Petermann fühlt sich unbehaglich: Vom Direktor will er doch gar nichts, sondern nur von dieser Frau! Um sie allerdings unverbindlich anzusprechen, fehlt ihm die passende Floskel. So versucht er es direkt: „Guten Tag. Vor ein paar Tagen war ein Freund von mir hier, der sie bat, eine Kopie von einem alten Katasterblatt aus der Gegend um Kilwa zu machen. Die würde ich gern abholen.“
Rohs Sekretärin reagiert auf eine Weise, mit der Petermann nicht gerechnet hat. „Pscht! Dieser Finn Schütte, right? Der Direktor darf nix davon wissen. Haben sie das Geld?“
Verdutzt antwortet Petermann instinktiv passend: „Wieviel sollte es noch mal sein?“
„Na, 20.000, wie abgemacht! Fangen sie jetzt bloß nicht an zu handeln! Was glauben sie wohl, wie schwer es war, von einem so großen und alten Blatt unbemerkt eine Kopie zu machen!“
„Sehr! Gewiss.“ Petermann zählt im Kopf sein Bargeld durch, Geld verbraucht sich hier fast schneller als in Hamburg, soviel steht fest. Nach dem Überfall gestern Nacht hat er heute Morgen neue Scheine eingesteckt. Zwei der roten Zehntausender mit dem Elefanten – kaum zehn Euro – als Reserve, ein paar blaue Nashörner, Fünftausender, die schon kaum noch jemand wechseln mag, ein gutes Dutzend Zwei- und Eintausender mit Staatsgründer Nyerere, Münzen für die Bettler, mehr passt einfach nicht ins Portemonnaie, ist eh schon stets zu dick. „Hier ist das Geld, nehmen sie’s.“ Er blättert einen roten und zwei blaue Scheine auf den Schreibtisch, die die Sekretärin sofort in ihrer Handtasche verschwinden lässt. Dann raunt sie ihm „Warten sie einen Augenblick!“ zu und verschwindet.
Kommt jetzt der Direktor? Oder holt sie gar die Polizei? Kurz darauf aber ist die Sekretärin zurück und reicht Petermann ein mehrfach gefaltetes Papier. „Stecken sie’s ein und gehen sie, ehe mich mein Chef erwischt. Haraka! “
Das lässt sich Petermann nicht zweimal sagen. Zehn Euro für eine Karte, die niemand außer ihm kennt. Finn hatte ihm noch sagen können, für wie genau er sie hielt: „Eine erstklassige Katasterkarte, penibel gezeichnet und exakt bis auf zwanzig, dreißig Meter.“
Beim Hinausgehen allerdings trifft Petermann beinah der Schlag: Vor ihm steht eine Frau aus Hamburg, die er kennt.
„Sabine! Was machst du denn hier?“ Mit Sabine hatte er vor Jahren einige gemeinsame Kurse an der Uni besucht, ohne dass sie sich je besonders nahe gekommen wären.
„Oh, hallo! Jens, richtig? Ist ja irre, wen man in dieser Stadt so alles trifft, 7.000 Kilometer weit weg von zu Hause. Komm’ gerade zurück aus dem Norden. Ich arbeite hier.“
Petermann erinnert sich: Ist Sabine etwa die Archivarin, die Finn gehofft hatte hier zu treffen? „Du arbeitest hier? Als was?“
„In meinem Beruf, als Historikerin. Ich soll Akten aufarbeiten aus der Kolonialzeit. So eine Art
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