Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Deutsche eine Kopie von Blatt neun aus dem Landregister des Bezirks Kilwa-Kivinje von 1916 bestellt. Diese Kopie, eine wunderschöne, detailgetreue alte Karte, hatte der jüngere muzungu eben abgeholt. Keine Frage: Der Zusammenhang zwischen den Besuchen der beiden wazungu ist eng. Roh sollte sich dieses Blatt unbedingt auch selbst ansehen.
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22. Petermann reißt sich zusammen
Sabine Kortweit hat eine tolle Reise hinter sich. Als „ resident “, als Frau, die im Lande lebt, ist sie mit ihren Eltern zum Spottpreis quer durch die weltberühmten Nationalparks im Norden Tanzanias gefahren, vom Lake Manyara mit seinen auf Bäumen lümmelnden Löwen durch Grzimeks „Garten Eden“ im Ngorongoro-Krater bis zu den riesigen Büffel-, Gnu- und Elefantenherden in der Serengeti. Nur die Primaten-Reservate am Lake Tanganyika hatten sie nicht geschafft. Sie hat in luxuriösen Zeltlagern inmitten der Parks für einen Preis logiert, der sonst ausschließlich für Einheimische gilt, war dekadent üppig verpflegt worden und hatte statt vierzig nirgends mehr als einen Euro pro Tag Parkeintritt bezahlt. Von dieser Reise würde sie noch lange träumen, ihre Eltern wahrscheinlich ewig. Erholt aber hatte sie sich kaum, dafür waren nicht nur ihre von den Verhältnissen arg überforderten Eltern zu anstrengend gewesen, sondern auch das Reisen an sich. Jetzt hoffte sie, im Arbeitsalltag wieder zu sich zu kommen.
Nach zehn Jahren Jobberei hatte sie nicht mehr zu träumen gewagt, dass sie es noch einmal so gut treffen würde. Ihr Studium in Hamburg – Völkerkunde, neuere Geschichte, Afrikanistik – liegt Äonen zurück. Als ihre Chance kam, waren ihr der suspekte Arbeitgeber samt seiner fragwürdigen Finanziers ziemlich piepe. Von der Stelle in Dar es Salaam hatte sie über Beziehungen zu einer Journalistin erfahren, der sie auf einer Veranstaltung des „Spiegels“ begegnet war, Thema: „Afrika – Rettung durch die Weißen?“ Gemeinsam hatten sie über die miese historische Perspektive hergezogen, die den Veranstaltungstitel zierte. Kurz darauf war ihre Bekannte Beauftragte der Vorbeck-Stiftung fürs südliche Afrika geworden und betreibt seitdem von Kapstadt aus Imagepflege fürs neue und alte Deutschland. Von dort aus hatte sie Sabine Kortweit der Job in Dar es Salaam angetragen.
Besser gestellt war kaum einer ihrer heimischen Freunde: Bezahlt nach Entgeltstufe 13 mit Auslandszulage, Alltagskosten auf niedrigstem Niveau, ein tolles Haus mit Garten, das sie sich mit einem alleinstehenden Experten aus Nürnberg teilt, und fast keine Fixkosten. Die Monatsgehälter für die drei Hausangestellten fallen mit 50 Euro kaum ins Gewicht, selbst dann nicht, sollte irgendwer aus deren Familie einmal ernsthaft erkranken. Dafür würde sie zusammen mit ihrem Hausgenossen aufzukommen haben. Oft rechnet sie sich vor, was nach drei Jahren auf ihrem Konto in Hamburg liegen wird. Für die Anzahlung der ersehnten Eigentumswohnung wird es reichen.
Die Arbeitsbedingungen allerdings sind eher bescheiden. Weniger wegen zu hoher Belastung, vielmehr wegen des täglichen Frusts. Elende Langsamkeit, Ineffizienz allerorten. Außer des privaten Laptops kein Computer weit und breit, völlig unsystematische Registratur bar jedes Anflugs elektronischer Schriftgutverwaltung, ein einziger, dauernd streikender Kopierer mit grundsätzlich leerem Papierschacht, das staubige Büro möbliert mit Inventar aus den fünfziger Jahren, extreme Hitze und Luftfeuchtigkeit, viel zu viele Anopheles-Mücken, keine Klimaanlage, muffige Lagerräume ohne jede Technik, kaum Kollegen.
Ihr Chef, Archivdirektor Singai Roh, tauchte anfangs nur selten auf. Seit einigen Wochen aber wird er mit seiner Kontroll- und Arbeitswut zunehmend lästig. Dabei hat er an ihrer Arbeit nichts auszusetzen, außer dass er sie ständig antreibt. Stets freundlich zwar, aber bestimmt und unberechenbar. Zuletzt hatte er ihr sogar vorrechnen wollen, dass ihr eigentlich gar kein Weihnachtsurlaub zustände! Natürlich hatte er sich da getäuscht. Hätte ihr eine Freundin aus der deutschen Gemeinde nicht von Rohs Infektion erzählt, hätte sich Sabine Kortweit längst an höherer Stelle über ihn beschwert. Schließlich war sie hier nicht eingestellt worden, um dem Direktor irgendwelche Meriten zu verschaffen, sondern zum Nutzen des gesamten Landes (eher des deutschen denn des tanzanischen, wie sie gern zugestand, wenn sie sich davon Anerkennung im engeren Kreis versprach, beim Kokettieren).
Jens
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