Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Petermann hatte sie vor Jahren in Hamburg auf irgendeiner Party kennengelernt, wo sie bemerkten, dass sie Ähnliches studierten. Damals gab er den allseits umgarnten Filou, während sie sich eher fühlte wie Schneewittchen ohne Prinz. Trotzdem waren sie einander aufgefallen und hatten einige Martinis miteinander getrunken. Nichts weiter war passiert. Seit ihres Umzugs nach Dar es Salaam hat sie sowieso nichts mehr mit Männern gehabt, was weniger an mangelnden Gelegenheiten lag als an ihrer Angst vor Aids. Nachher eventuell mit Jens schwimmen zu gehen, löst Prickeln aus auf ihrer Haut.
Zwei Stunden zuvor war Petermann wild entschlossen von seinem Stuhl im Salamander aufgestanden. Jetzt oder nie. Schnurstracks wandte er sich nach links, vorbei an den Ständen mit Holzschnitzereien – „Massenware“, hatte Finn dazu gesagt, „ganz im Gegensatz zur echten ‚Makonde-Kunst’ draußen vor der Stadt, die aus dem Süden“ –, vorbei auch an Dutzenden von Wechselstuben und Banken, die die Samora Avenue säumen. Er war über zwei Straßen gehechtet, die sternförmig vom Platz am Clock-Tower abgehen, und stand wenig später zum ersten Mal seit 48 Stunden wieder an der Rezeption des „Continental“. Wie er hofft, zum letztenmal.
„Den Schlüssel, Nummer 22, bitte.“
Ohne länger als auch nur einen Augenaufschlag von ihrer Zeitung aufzublicken, griff Mwanaid Temba hinter sich und legte den gewünschten Schlüssel auf den Tresen. Diesen muzungu hat sie schon mehrmals gesehen, das geht in Ordnung. Erst als Petermann im Treppenhaus verschwunden ist, erinnert sie sich verdattert. Nummer 22, dass ist doch das Zimmer mit dem Toten! Der muzungu muss dessen Bekannter sein, der, hinter dem die Bullen seit Tagen her sind! Sie ruft ihm hinterher, doch keine Reaktion. Ihren Posten darf sie nicht so ohne weiteres verlassen. Als auch Hoteldirektor Kambona trotz Dauerklingeln übers Haustelefon nicht erreichbar ist, beschließt sie, einfach abzuwarten. Der muzungu muss das Hotel ja schließlich auch noch mal verlassen. Dann kann sie ihn immer noch fragen, was er heute, zwei Tage nach dem Tod seines Bekannten, hier noch mal gesucht hat.
Petermann jedoch sieht sie nie wieder. Was einmal glatt ging, wird auch ein zweites Mal klappen – so hat er den Empfang gemieden und wie Silvester den Weg über die hinteren Treppen durch die Bar genommen. Der gesamte Coup hatte keine fünf Minuten gedauert.
Den Zimmerschlüssel hätte er gar nicht gebraucht, die Tür war unverschlossen, am Holm hing irgendein zerfetztes Siegel aus Papier. Tatsächlich befanden sich alle größeren Gepäckstücke noch im Zimmer, manche allerdings durchwühlt. Die Golftasche stand umgekippt genau dort im Schrank, wo er sie abgestellt hatte. Jetzt hält er sie für zu auffällig, um sie mitzunehmen. So leerte er rasch Finns Rucksack aus, stopfte das Metallsuchgerät hinein und füllte den übrigen Platz mit Klamotten für die weitere Reise. Nach drei Minuten stand er wieder auf der Straße. Am Eingang kam ihm ein kräftiger, arg verschwitzter Typ entgegen, den er fast für einen Zivilbullen hielt. Dafür aber rannte der irgendwie viel zu benebelt an ihm vorbei.
Ruhigen Schrittes geht Petermann auf ein Taxi zu, das an der Tankstelle gegenüber hält, und lässt sich samt seines Detektor gefüllten Rucksacks schnurstracks zum „Serena“ bringen. Den Fahrer bittet er zu warten. Die Empfangsdame schaut etwas befremdet auf den Rucksack – nur selten tauchen vor ihr Gäste mit so einer abgefahrenen Tragetasche auf dem Rücken auf –, nimmt ansonsten aber weiter keine Notiz von ihm. Petermann atmet auf: Kein Verfolger in Sicht. Auf seinem Zimmer angekommen, schmeißt er den Sack quer aufs Bett, zieht sich um und beeilt sich, wieder nach unten zu kommen. In der hauseigenen Boutique kauft er sich noch rasch zu einem unverschämten Preis eine modische, knielange Badehose, bevor er erneut ins Taxi steigt.
Beim Einsteigen gefriert ihm das Blut in den Adern: In der Hotelausfahrt lümmelt einmal mehr der Typ, der ihm heute Morgen von der Rezeption aus in die Augen blickte. „Zum Nationalarchiv, schnell, bitte!“ Vom Beifahrersitz schaut Petermann dem Mann – seinem Verfolger? – verstohlen ins Gesicht. Der Fremde erwidert den Blick ohne zu zucken. Gegrüßt haben sie sich nicht. Petermann spürt: Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit in dieser Stadt.
Am Nationalarchiv verlangt der Taxifahrer einen Abschlag, weil er schon wieder warten soll. Petermann zahlt
Weitere Kostenlose Bücher