Der Schatz von Njinjo (German Edition)
tun, ohne weiter über diesen Schutte und den Schatz nachdenken zu müssen. Noch volle neun Stunden Tageslicht, unbegrenztes Nachtleben und die Feierei zum Jahreswechsel vor Augen, begebe ich mich auf Entdeckungstour.
Nach London ist Dar es Salaam die einzige Metropole, über die ich in der Schule etwas lernte. Mitte des vorletzten Jahrhunderts vom zanzibarischen Sultan gegründet, der beschlossen hatte, sich einen Palast auf dem Festland zuzulegen, blieb dieser „Hafen des Friedens“ jahrzehntelang ein Dorf. So entgingen die meisten Bewohner wenigstens ihrer Versklavung. Vor ihrer Haustür aber entwickelte sich ein ausgeprägtes Drei-Rassen-Wesen: Auf der untersten Sprosse wir, die Einheimischen, in der Mitte indische Seehandelsvertreter und an der Spitze die zanzibarische Aristokratie. Mit dem Einsetzen der Kolonialherrschaft verschärften sich die Trennlinien noch.
Auf den Spuren der Geschichte durchstreife ich am Rand des Stadtkerns Alleen mit großzügigen Grundstücken und Parkanlagen, dahinter liegen die dazugehörigen Villen und Herrenhäuser, in denen nicht nur früher Europäer hausten. Nur wenige Meter dahinter verbreitet die Geschäftswelt mit ihren Banken, Hotels, Klimaanlagen, Kathedralen und Boutiquen glitzernd das Blendwerk der neuen Welt. Gen Westen dann wechselt hinter der Azikiwe Street schlagartig die Architektur: Jetzt bestimmen zwei- bis dreistöckige Geschäftshäuser die Fassaden, zumeist im Besitz von Asiaten: Apotheken, Foto-, Telefon-, CD- und Computerläden, schummrige Internetcafès, halbgare, unbekannte Banken, Supermärkte. Oben drüber frei hängende Stromkabel und Leitungen allüberall. Was passiert bloß, wenn die runterkrachen? Minarette an jeder dritten Straßenecke, ein Schilderwald christlicher Missions-, Auferstehungs- und Erweckungsgesellschaften, dutzende Büros von UN, UNESCO, WHO, Peace Corps, NGOS und GIZ-Vereinen, Tempel der Sikhs und Buddhisten: Was für eine gläubige Stadt!
Die beiden großen Kirchen an der Ufer-Promenade verkörpern bis heute den Machtkampf der Missionen um unsere Seelen. Während meine Heimatstadt Moshi sich mit der ältesten katholischen Kathedrale auf dem ostafrikanischen Festland schmückt, hatten in Dar’ die Lutheraner die Nase vorn – behauptete zumindest mein evangelikal gesinnter Geschichtslehrer. Deren „Azania Church“ sei 1899 ein volles Jahr vor der konkurrierenden „St. Joseph’s Cathedral“ fertig geworden. Dafür erstrahlt letztere heute in hellstem Glanz, wurde sie doch erst kürzlich anlässlich eines Papstbesuchs aufwändig restauriert. Während ich an ihr vorbeischlendere, grüße ich in der Ferne freundlich einen meiner neuen Bekannten, Salmin Kolimbas Hausgorilla. Der allerdings wendet sich grußlos ab.
Im Südwesten nahe der Schienen beginnen die alten „Afrikanerviertel“. Hier, in unmittelbarer Nähe der Innenstadt, bei den Hafenanlagen und nicht weit vom Bahnhof, fehlt es wie anno dazumal weitverbreitet an jeglicher Infrastruktur. Arbeiter-Quartiere, einstöckige Gebäude mit rostbraunen Blechdächern, davor T-Shirtstände, Gemüseläden, CD- und Videoshops, Mangoberge und Haareschneider. Noch ärmere Bewohner der rasant wuchernden Stadt siedeln in den Slums der Randbezirke. Seit Jahrzehnten expandiert Dar es Salaam in immer rasanterem Tempo, irgendwo stand kürzlich, nur noch Bamako und Lagos wüchsen schneller. Sogar die Zahl der Europäer steigt parallel zur sich ausbreitenden nachkolonialen Abhängigkeit wieder kontinuierlich an. Heute siedeln um den unverändert kleinen Stadtkern rund vier Millionen Menschen, weit mehr als zwei Millionen Erwerbsfähige, von denen kaum jeder Dritte Arbeit hat. Seit einigen Jahren wird’s darob in der Stadt zusehends unruhig, unseren Politikern wird mulmig, weil es gärt.
Die Herren der Macht aber lassen sich viel einfallen, um den Korken auf der Flasche zu halten. Hin und wieder führt das zur Vertreibung Abertausender, die keine feste Beschäftigung nachweisen können. Wie zu Zeiten der Kolonialgesetze werden Aufgegriffene dann unter Zwang auf die heruntergekommenen Sisalplantagen des Nordens verfrachtet, wo niemand freiwillig arbeiten will. Kurz darauf kehren natürlich die meisten den harschen Arbeitsbedingungen dort den Rücken und strömen zurück in die Stadt. So läuft es alle Jahre.
Immer häufiger auch entlädt sich Frust in spontanen Aufständen mit Plünderungen und Gewalt, sogar gegen Menschen. Selbst muzungu kriegen ihr Fett ab und werden schon mal am
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