Der Schatz von Njinjo (German Edition)
den Besitz dieser Schüttes im kolonialen Deutsch-Ostafrika betreffen. Zu dieser Gruppe gehören auch Berichte aus dem Ersten Weltkrieg, die den Verlauf von Kampfhandlungen im Süden Tanganyikas beschreiben, so hieß ihr Land ja damals.“ Makaïdi rollt verärgert mit den Augen: Als ob er, der dreizehn Jahre zur Schule ging, nicht wüsste, wie sein Mutterland bis 1964 hieß! „Einige davon sind in englisch, die dürften sie bereits bemerkt haben. Handschriftliche Anmerkungen und Verweise deuten auf Dokumente, die in der Sammlung fehlen und eventuell im hiesigen Nationalarchiv zu finden sind. Auch Karten werden erwähnt, die ich ebenfalls nicht finden kann.“
„Und weiter?“ Makaïdi ist hellwach.
„Besonders interessant ist die dritte Sorte: Das sind zwei Briefe aus dem Herbst letzten Jahres, die ein gewisser Jens Petermann aus Rosengarten, einem Dorf bei Hamburg, an Finn Schütte geschrieben hat.“
„Der Name des mysteriösen Mitbewohners im ‚Continental’?“
„Ja, möglicherweise. In den Briefen bedankt sich Petermann für Schüttes Einladung zu einer Entdeckungsreise an den Ort, wo dieser Friedbert Schütte gesiedelt hat. Dazu gehören auch die Farbbilder: Finn Schütte versuchte damit anscheinend, diesem Petermann die Reise schmackhaft zu machen.“
„Nicht uninteressant, Herr Attaché, das bringt uns noch heute weiter. Immerhin haben wir jetzt einen zweiten unabhängigen Hinweis auf die Identität des Toten und einen ersten auf die seines Bekannten. Auch ahne ich, was die beiden hier wollten. – Irgendwelche Spuren für ein besonders enges Verhältnis zwischen den beiden haben sie nicht zufällig gefunden?“
„Wofür?“ Zur Lippe windet sich.
„Na, für deren abstoßende Veranlagung und so weiter ...“
„Nein, aber dazu war mein Überfliegen auch zu flüchtig.“ Einerseits sieht sich der Botschaftssekretär verpflichtet, Makaïdi mitzuteilen, was er den Papieren entnommen hat, andererseits widert dieser tanzanische Bulle ihn immer mehr an. Wenn sich Per zur Lippe irgendwo für liberal hält, dann beim Eintreten für Homosexuelle. Schließlich hatte auch er mal einen schwulen Freund, vorübergehend, und ohne Sex, versteht sich.
Makaïdi nimmt zur Lippes Antwort locker. „Schade, damit hätten wir es leichter. Eine Bitte noch: Sorgen sie doch gnädigst dafür, dass wir so schnell wie möglich eine übersetzte Abschrift der deutschsprachigen Dokumente bekommen. Als Erstes natürlich der Briefe. Bis Montag, oder ist das zu viel verlangt?“
Zur Lippe kocht. Um diesem Wunsch zu entsprechen, müssten er und die Sekretärin am Sonntag arbeiten. Das kommt überhaupt nicht in Frage. So wehrt er ab. „Superintendent, so wichtig ist mir dieser Schütte nun auch wieder nicht, als dass ich unsere Mitarbeiter aus ihrem wohlverdienten Wochenende holen werde. Wenn wir ihnen den Gefallen tun und die Papiere halbwegs professionell ins Swahili übersetzen sollen, dann müssen sie sich schon ein wenig gedulden. Vor Mittwoch, Donnerstag wird das auf gar keinen Fall etwas.“
Jetzt ärgert sich auch Makaïdi, der es sich seit gut einer Stunde auf zur Lippes Sofa gut gehen lässt. Doch er wird sich keine Blöße geben. Ihm fällt kein anderer Weg ein, um in absehbarer Zeit kostenlos an Übersetzungen zu gelangen. „In Ordnung, dann müssen unsere Maßnahmen eben so lange warten. – Herr zur Lippe, für heute vielen Dank.“
Unerwartet flink hat sich der übergewichtige Polizeioffizier erhoben, verabschiedet und entfernt. Der Sekretär sieht ihm am Fahrstuhl leicht belämmert, jedoch erleichtert nach.
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24. Hannes ist zurück
Dienstag, 30. Dezember
Kurz bevor wir die Meerenge am Hafeneingang von Dar es Salaam durchfahren, bleiben meine Augen erneut am Fischmarkt hängen. Überall köchelt und dampft es, so stark, dass die Gerüche noch auf See Appetit machen. Endlich auch haben sich meine Nerven beruhigt, ich atme ruhig und verdränge alle Übelkeit. Je näher das Tragflügelboot der Pier kommt, längst sanft auf dem Wasser statt auf den Kufen gleitend, desto ruhiger werde ich.
Schon Minuten vor dem Anlegen drängelt sich alles am Ausgang. Platzangst? Nie gehört! Mit meinen beiden Koffern stehe ich mitten in der Traube. Direkt vor mir wartet ein jugendlich langhaariger muzungu ohne jegliches Gepäck. Den schickt der Himmel! Noch hat das Schiff nicht festgemacht, da stoße ich den Fremden tolldreist von hinten an und schaue ihm freudig ins Gesicht. Mit weit aufgerissenen Augen
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