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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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Brünger. Hast du immer noch nicht genug vom Zuchthaus, oder warum zettelst du hier einen Aufstand an?«
    Pittje Brünger verzog sein großflächiges Gesicht. Er starrte Boysen an. Seine Züge zeigten eine Mischung aus Verblüffung, Hass und Zweifel. Das musste der Offiziant ausnutzen. Solange der Rädelsführer nicht wusste, ob er losstürmen sollte, gab es eine Chance. Boysen kannte die Straße. Er hatte nicht vor, sich von einer Horde Habenichtse zu Brei schlagen zu lassen.
    »Diese Kerle haben den jungen Polen verfolgt«, meldete sich nun Anna zu Wort. Boysen warf ihr einen warnenden Seitenblick zu.
    »Halten Sie die Klappe!«, fuhr er sie an. »Ich regele die Sache. Das ist Polizeiangelegenheit.«
    »Polizeiangelegenheit!«, wiederholte Brünger höhnisch. Der Rädelsführer bekam wieder Oberwasser. »Was habt ihr Udels denn getan, um den Mörder von Liese Hinrichs zu erwischen? Wir wollten uns das Polackenschwein greifen. Aber dann ist uns dieses feine Fräulein in die Quere gekommen.«
    Er deutete mit dem Axtstiel auf Anna. Brünger sah so aus, als ob er ihr liebend gern den Schädel eingeschlagen hätte.
    »So, der Pole ist also der Mörder.« Boysen starrte Brünger ins Gesicht. »Habt ihr die Tat gesehen?«
    »Das nicht, aber ...«
    »Aber was?«
    »Der Polacke gehört nicht hierher, er ist ein Fremder«, nuschelte Brünger. »Glaubst du, einer von uns hätte Liese getötet? Wir sind mit ihr aufgewachsen.«
    Boysen warf dem vor Angst schlotternden Polen einen Seitenblick zu. Der Offiziant bezweifelte, dass der Mann wusste, worüber sie sprachen. Aber er spürte vermutlich, dass es um sein Leben ging. Boysen musste sich selbst gegenüber zugeben, dass der Pole gekleidet war wie ein typischer Schauermann. Nur der Zampel fehlte, aber den konnte er auf der Flucht verloren haben. Der Offiziant wandte sich an ihn.
    »Was hattest du hier in dem Stadtviertel zu suchen?«
    Der Pole machte eine hilflose Geste und sagte etwas in seiner Muttersprache.
    »Der will sich doch nur rauswinden!«, rief Brünger, dessen Wut wieder aufflackerte. »Schnappt ihn euch!«
    Boysen hatte schon damit gerechnet, dass die Situation eskalieren würde. Als Brünger den Axtstiel hob, um die Attacke anzuführen, schlug Boysen ihm mit seinem Dienststock quer übers Gesicht. Der Unrasierte jaulte auf. Boysen ließ seinen Dienststock fallen und zog seinen Bulldog-Revolver.
    Anna schrie erschrocken, als der Offiziant in die Luft feuerte.
    »Zurück mit euch!«, blaffte Boysen. »Der Erste, der sich uns nähert, bekommt ein Stück Blei zwischen die Rippen!«
    Auch Constabler Gräner hatte den Ernst der Lage erkannt und zog seinen Säbel blank. Die beiden Uniformierten, Anna und der Pole waren nun von einer beinahe hundertköpfigen Menschenmenge umringt. Boysen wusste natürlich, dass seine Schusswaffe ihm nichts nutzte, wenn es hart auf hart kam. Er durfte jetzt keine Furcht zeigen. Etwas Besseres fiel ihm für den Moment nicht ein.
    »Ich löse die Versammlung auf!«, brüllte er mit einer Lautstärke, die es mit den Schiffssirenen im Hafen aufnehmen konnte. »Ihr verlasst sofort die Straße! Wer in fünf Minuten noch hier herumsteht, landet am Holstenglacis!«
    Die Leute murrten, schauten einander in die Gesichter, scharrten unschlüssig mit den Füßen. Vielleicht wäre es Boysen wirklich gelungen, die Menge nur durch ein paar barsche Befehle zu zerstreuen. Die Leute aus den Armenvierteln waren es schließlich ihr ganzes Leben lang gewöhnt, herumkommandiert zu werden – erst von ihrem eigenen Vater, dann vom Schullehrer, von Armee-Offizieren und Polizisten, vom Meister auf der Werft oder vom Steuermann an Bord. Doch dann warf irgendjemand aus den hinteren Reihen mit einem Stein nach Boysen.
    Boysens linke Augenbraue platzte auf. Blut sickerte in sein Auge. Er geriet ins Schwanken, stolperte seitwärts und verlor seinen Revolver.
    Der Mob johlte begeistert auf. Auch Brünger sah nun seine zweite Chance gekommen. Der Schläger hob seinen Axtstiel, um Boysen damit den Schädel einzuschlagen. Der Offiziant griff nach seinem Säbel, um sich zu verteidigen. Doch Constabler Gräner hatte bereits blankgezogen. Er stach mit seiner Säbelspitze in Brüngers Unterarm. Der Rädelsführer schrie und ließ seine Schlagwaffe fallen.
    Doch das Eingreifen des Constablers hatte die Menge noch zorniger gemacht. In der Masse fühlten sie sich stark und stürmten nun trotzdem vorwärts.
    Da peitschte ein Schuss.
    Boysen, der nur leicht benommen war, schaute

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