Der Scheich
nicht mit ihrer Angst vor dem Scheich zusammenhingen. Sie gab es auf - viel wichtiger war es im Augenblick, daß sie im Sattel nicht das Gleichgewicht verlor.
Nach einer Weile hob sie den Kopf und betrachtete den strahlenden Himmel. Inzwischen war die Sonne fast untergegangen und ähnelte einer Kugel aus geschmolzenem Feuer, umrahmt von Gold, Karmesinrot und hellem Grün, das erst in lebhaftes Blau, dann in tiefes Schwarz überging, während die letzten Strahlen hinter dem Horizont verglühten. In scharfgezeichneten Konturen ragten verstreute Palmen und die fernen Berge empor. Was für ein schönes Land ...
Dianas Herz schlug schneller, als ihr bewußt wurde, daß sie in dieses Paradies zurückkehrte. Aber nach einer Weile sank sie erschöpft in sich zusammen. Ein paarmal stieß sie gegen den Mann, der hinter ihr auf dem Pferderücken saß. Seine Nähe widerte sie nicht mehr an, und diese Erkenntnis weckte ein vages Staunen. Wie merkwürdig - sie war sogar erleichtert, weil sie seine unbesiegbare Kraft fühlte. Ihr Blick ruhte auf den gebräunten, muskulösen Händen zwischen den Falten des weißen Gewandes, den Fingern, die so zärtlich sein konnten, wenn er es wollte. Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen, und sie kämpfte dagegen an. Wie gerne hätte sie jetzt geweint! Eine übermächtige Einsamkeit und Niedergeschlagenheit erfaßte sie, eine fremde, unbegreifliche Sehnsucht nach dem Unbekannten.
Als die Sonnenglut erlosch, kam ein kühler Wind auf, und Diana fröstelte. Von lähmender Müdigkeit befallen, versank sie hin und wieder in Halbschlaf. Bald glitt sie endgültig ins Reich der Träume hinüber und fuhr erst hoch, als sie an die Brust des Scheichs geworfen wurde, der den Rappen zügelte. In ihrer Erschöpfung nahm sie kaum wahr, daß der Trupp angehalten hatte. Wie durch einen Schleier sah sie einige Palmen. Sie wurde vom Pferd gehoben, in einen Umhang gewickelt, und dann wußte sie nichts mehr.
Langsam erwachte sie aus ihrem Dämmerzustand. Sie war zwar immer noch schläfrig, aber nicht mehr so geschwächt, und fühlte sich wohl und geborgen. Der Nachtwind in ihrem Gesicht weckte ihre Lebensgeister. Inzwischen hatte sich der ganze Himmel schwarz verfärbt, und sie bemerkte, daß sie wieder nach Süden ritten. Wenig später war sie hellwach und erkannte ihre ungewohnte Lage. Sie lag bäuchlings vor dem Scheich über dem Sattel, und er hielt sie fest. Da ihr Kopf an seine Brust geschmiegt war, spürte sie seinen gleichmäßigen Herzschlag.
Von dem Umhang gewärmt, von einem starken Arm umfaßt, überließ sie sich zunächst ihrer Zufriedenheit und freute sich über die Ruhepause, die ihrem ausgelaugten Körper gegönnt wurde. Es genügte ihr, mit entspannten Muskeln still zu liegen, nichts zu tun und nur den Wind in ihrem Gesicht zu genießen. Habichts müheloser Galopp trug sie durch die Nacht - und ihn ebenso! Plötzlich entsann sie sich, wessen Arm sie umfing und an wessen Brust ihr Kopf lehnte, und ihr Puls beschleunigte sich.
Warum war ihr die Nähe dieses warmen, kraftvollen Körpers denn nicht widerwärtig? Was war mit ihr geschehen? Und plötzlich wußte sie es: Sie liebte ihn, und zwar schon lange, obwohl sie geglaubt hatte, ihn zu hassen, und vor ihm geflohen war.
Nun verstand sie, warum sein Gesicht sie mittags in der kleinen Oase so beharrlich verfolgt hatte - sie hatte ihn geliebt, ohne sich dessen bewußt zu sein. All die Verwirrung, die widersprüchlichen Gedanken und Gefühle während des Heimritts fanden jetzt eine ganz einfache Erklärung. Endlich erkannte sie sich selbst und die Liebe, die sie erfüllte, eine überwältigende, leidenschaftliche Liebe, die sie in ihrer ungeheuren Macht fast erschreckte. Die Liebe war zu ihr gekommen und hatte von ihr Besitz ergriffen - zu ihr, die solche Gefühle stets verachtet hatte.
So viele Männer hatten sich schon nach ihr verzehrt, doch keiner war fähig gewesen, ihr Herz zu erobern. In all den Jahren hatte sie gedacht, sie könnte nicht lieben, wäre gefeit gegen solche natürlichen Empfindungen und würde niemals erfahren, was die Liebe bedeutete. Aber nun wußte sie es - die Liebe glich einer völligen Kapitulation, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Für immer und ewig gehörte ihre Seele diesem wilden Wüstenscheich, der sich von allen Männern, die sie kannte, unterschied, einem gesetzlosen Barbaren, der sie aus einer Laune heraus in seine Gewalt gebracht hatte und der erbarmungslos mit ihr umsprang. Trotz seiner Grausamkeit
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