Der Scheich
liebte sie ihn, gerade wegen seiner Brutalität und großartigen animalischen Kraft. Und dabei war er ein Araber! Er gehörte einer anderen Rasse an, und Aubrey hätte ihn gedankenlos als «verdammten Nigger» bezeichnet. Doch das kümmerte Diana nicht.
Vor einem Jahr, noch vor wenigen Wochen, wäre sie allein schon bei der Vorstellung erschauert, ein Eingeborener könnte sie berühren. Aber das spielte angesichts dieser Liebe, die ihr Herz ganz und gar erfüllte, keine Rolle mehr. Auch wenn er ein Araber war - er war der Mann, den sie liebte. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl stieg in ihr auf. Welch eine Freude, an seiner Brust zu liegen, von seinem Arm umfangen... Nur noch der Augenblick zählte, und sie empfand den kindischen Wunsch, für alle Zeiten, bis in alle Ewigkeit mit Ahmed Ben Hassan dahinzureiten.
Am tintenschwarzen Himmel funkelten die Sterne, klar und weiß schien der Mond. Nur die Schakale, die in der Ferne jagten und heulten, störten die vollkommene Stille. Die Reiter schwiegen. Aber manchmal hörte Diana einen leisen Ausruf oder das Klirren von Zaumzeug. Einmal schoß jemand auf ein kleines Tier, das vor die Hufe seines Pferdes gelaufen war. Nachdem der Scheich einen knappen Befehl erteilt hatte, krachten keine Schüsse mehr.
Diana richtete sich ein wenig auf, um sein Gesicht im Mondschein zu betrachten, der die markanten Züge noch hervorhob. Im Silberlicht sah sie seine Augen glänzen, und ihr Atem stockte. Wie immer spähte er stirnrunzelnd geradeaus, und sein kantiges Kinn dicht über ihrer Stirn wirkte eigenwilliger denn je. Als er spürte, wie sie sich bewegte, schaute er herab, und ihre Blicke trafen sich. Doch sie murmelte nur etwas Unverständliches und verbarg das Gesicht wieder zwischen den Falten seines Gewandes. Er sagte nichts, aber er drückte sie fester an sich.
Mitten in der Nacht erreichten sie das Lager. Überall flammten Lichter auf, und bald wurden sie von aufgeregten Gefolgsleuten und Tieren umringt. Trotz des langen Galopps bäumte sich Habicht lebhaft auf und tänzelte umher, so wie bei jeder Heimkehr - eine Marotte, die man ihm nicht abgewöhnen konnte. Auf Ahmed Ben Hassans Befehl sprangen zwei Araber heran, hielten das Pferd fest, und er legte Diana in Yusefs ausgestreckte Arme. Als er sie auf die Füße stellte, taumelte sie, und ihr schwindelte beinahe. Er führte sie zum Eingang des Zelts, dann verschwand er im Gedränge der Männer und Pferde.
Müde sank sie auf den Diwan und schlug die Hände vors Gesicht. Sie zitterte vor Angst. Was würde er ihr nun antun? Immer wieder stellte sie sich diese Frage mit lautlosen Lippen, betete um innere Kraft und machte sich auf eine Auseinandersetzung gefaßt. Endlich hörte sie seine Stimme, hob den Kopf und sah ihn im Eingang stehen. Er wandte ihr den Rücken zu. Nachdem er einige Befehle erteilt hatte, ritten einige seiner Gefolgsleute in verschiedene Richtungen davon. Eine Weile blieb er noch vor dem Zelt stehen und sprach mit Yusef; dann trat er ein. Bei seinem Anblick kauerte sich Diana in die weichen Kissen. Doch anstatt sie anzusprechen, zündete er sich eine Zigarette an und lief hin und her. Sie wagte nicht, etwas zu sagen, so finster war seine Miene.
Auf leisen Sohlen eilten zwei Diener herbei und servierten hastig zubereitete Speisen. Es war eine gespenstische Mahlzeit. Kein einziges Mal brach der Scheich sein Schweigen, und er schien Dianas Gegenwart gar nicht wahrzunehmen. Obwohl sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte, brachte sie kaum einen Bissen hinunter. Aber sie zwang sich dazu. Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis die Diener Kaffee in vergoldeten Tassen brachten und dann verschwanden.
Während Diana in kleinen Schlucken ihren Kaffee trank, ging Ahmed Ben Hassan wieder rastlos umher und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Das ständige Auf-und-ab-Laufen zerrte an ihren Nerven, bis sie jedesmal zusammenzuckte, wenn er an ihr vorbeikam. Vom Diwan aus beobachtete sie ihn, gleichzeitig fasziniert und ängstlich.
Er würdigte sie keines Blickes. Von Zeit zu Zeit sah er auf seine Armbanduhr, und jedesmal verdüsterte sich seine Miene. Wenn er doch endlich sprechen würde! Sein Schweigen erschien ihr schlimmer als alle harten Worte. Was würde er tun? Er war zu allem fähig, und sie konnte die Ungewißheit kaum noch ertragen. An ihren Händen klebte kalter Schweiß, und sie öffnete den Kragen ihrer Reitbluse, weil sie zu ersticken glaubte.
Zweimal erschien Yusef, um Bericht zu erstatten. Nach dem zweiten
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