Der Scheich
sie fest und zog sie wieder in seine Arme. Ihr Kopf sank an seine Schulter. Beim Anblick ihres ängstlichen Gesichts veränderte sich seine Miene. Er trug sie ins Schlafgemach, legte sie aufs Bett. Nur zögernd erhob er sich. Eine Weile blieb er stehen, betrachtete ihre knabenhafte Gestalt, und allmählich erlosch die wilde Glut in seinen Augen. «Paß auf, daß du den Teufel in mir nicht noch einmal weckst, ma belle », mahnte er in ernstem Ton.
Als Diana endlich allein war, vergrub sie stöhnend ihr Gesicht in den Kissen. Vor wenigen Stunden, unter dem Sternenhimmel der Wüste, hatte die Erkenntnis ihrer Liebe ein heißes Glück entfacht. Jetzt wußte sie, daß sie ohne seine Liebe niemals glücklich werden konnte. Sie hatte seine zornigen, lieblosen Küsse geschmeckt, und sie wußte, daß ihr noch größere Leiden bevorstanden. Als sie sich ihr zukünftiges Leben mit ihm vorstellte, fröstelte sie.
«Ich liebe ihn!» flüsterte sie. «Ich liebe ihn! Und ich wünsche mir seine Liebe mehr als alles andere im Himmel und auf Erden!»
Sechstes Kapitel
Diana saß auf dem Diwan im Wohnraum des Zelts und frühstückte. Eine Tasse Kaffee in der Hand, beugte sie den rotblonden Kopf über eine Zeitschrift, die auf ihren Knien lag. Das französische Magazin neueren Datums war von einem holländischen Wüstenreisenden im Lager zurückgelassen worden, der für eine Nacht um Gastfreundschaft gebeten hatte.
Natürlich war Diana ihm nicht begegnet. Nachdem er in seinem Zelt zu Abend gegessen hatte, schickte Ahmed Ben Hassan ihm eine blumige Einladung zum Kaffee, die allerdings - trotz der zuckersüßen Worte - einem Befehl gleichkam. Nur arabische Dienstboten betreuten die beiden Männer, und der Scheich, scheinbar unberührt von westlichen Einflüssen, sprach nur Arabisch, das der Holländer fließend beherrschte. Wie es die orientalische Höflichkeit gebot, stellte Hassan dem Besucher sich selbst, seine Dienerschaft und sein Eigentum uneingeschränkt zur Verfügung. Allerdings wußte der Gast, daß diese Freundlichkeit nichts zu bedeuten hatte. Also nahm er es so, wie es gemeint war, und beantwortete das Angebot mit den üblichen Phrasen. Ein- oder zweimal hörte er eine gedämpfte Frauenstimme hinter dichten Vorhängen. Doch er war zu klug, um seinen Gastgeber darauf anzusprechen. Mit einem spöttischen Grinsen stellte er sich die Reaktion des würdigen Arabers auf diese indiskrete Frage vor. Der Holländer war ein älterer, mitleidiger Mann, und er überlegte, welche Strafe der Frau im Nebenraum wohl bevorstand, weil sie so unvorsichtig gewesen war, sich bemerkbar zu machen. Ohne den Scheich wiederzusehen, hatte er - eskortiert von Yusef und einigen anderen Männern - das Lager am nächsten Morgen verlassen.
Diana las die Zeitschrift mit großem Interesse. Jede neue Lektüre war kostbar. In ihrem Reithemd und den erstklassig geschnittenen Breeches glich sie einem eleganten Jungen. Sie hatte einen Fuß im hohen braunen Reitstiefel untergeschlagen, während der andere lässig über den Rand des Diwans baumelte. Nachdem sie ihren Kaffee getrunken hatte, entzündete sie eine Zigarette und beugte sich zufrieden wieder über das Magazin.
Seit ihrem leichtsinnigen Fluchtversuch, der für den schönen Silberstern so tragisch geendet und ihr Leben völlig verändert hatte, waren zwei Monate vergangen. Tage voll himmlischer Glücksgefühle mischten sich mit bitterer Wehmut, denn die Freude an Ahmed Ben Hassans Gesellschaft wurde von der leidenschaftlichen Sehnsucht nach seiner Liebe getrübt. Jetzt betrachtete sie sogar ihre Umgebung mit anderen Augen, und das Glück ließ alle Dinge in einem neuen Licht erstrahlen. Der orientalische Luxus im Zelt erschien ihr nicht mehr übertrieben, sondern wie der natürliche Lebensraum eines faszinierenden Mannes, der die arabischen Sitten schätzte. Was ihm selbst gefiel und was er zur Schau stellte, um seine Anhänger zu beeindrucken, konnte Diana nicht feststellen. Auch die Wüste erschien ihr inzwischen tausendmal schöner, und die wilden Krieger des Scheichs empfand sie nicht mehr als abstoßend. Sie lernte, dieses ungebundene Dasein, die körperliche Bewegung und den schlichten Tagesablauf zu lieben. Mittlerweile war das Camp schon einige Male verlegt worden, immer in südlicher Richtung, und jeder Ortswechsel bot interessante neue Eindrücke.
Seit der Nacht, in der er sie triumphierend zurückgebracht hatte, ging er so behutsam mit ihr um, wie sie es niemals erwartet hätte. Nie wieder
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