Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
Vom Netzwerk:
deiner kindischen Gefolgsmänner verarztete, der mit einem minderwertigen Revolver gespielt hatte.»
Der Scheich eilte zum Eingang. «Wurde sie eskortiert?»
«Ja.»
Argwöhnisch zog Ahmed die schwarzen Brauen zusammen. Hatte sie ihm in all diesen Wochen etwas vorgespielt, eine Zufriedenheit geheuchelt, die sie gar nicht empfand, um ihn einzulullen und eine weitere Gelegenheit zur Flucht abzuwarten? Seine Miene verfinsterte sich. Dann verwarf er diesen Gedanken. Er vertraute ihr. Erst vor einer Woche hatte sie ihm Gehorsam gelobt, und er wußte, sie würde ihn nicht belügen. Außerdem konnte sie unmöglich entkommen. Ein zweites Mal würde Gaston sich nicht übertölpeln lassen, und sie wurde von sechs zusätzlichen Männern bewacht. Aber viel mehr als diese Tatsache bedeutete ihm sein Vertrauen.
Nie zuvor hatte er einer Frau vertraut. Die anderen waren gekommen und gegangen, ohne Erinnerungen zu hinterlassen. Er hätte die eine nicht mehr von der anderen unterscheiden können, und er wußte nur noch, daß sie ihn unsäglich gelangweilt hatten. Überdies hatte er früher keinen Grund gesehen, sich über die Zuverlässigkeit einer Frau Gedanken zu machen. Er hatte sich nicht einmal gefragt, was aus ihnen geworden war. Sobald seine Begierde erloschen war, hatte er sie vergessen.
Doch Dianes ungewöhnliche Schönheit und ihre schlanke, knabenhafte Figur erregten ihn immer noch, obwohl sie schon seit so vielen Monaten in seinem Lager lebte. Ihre Stimmungsschwankungen, ihre Feindseligkeit, ihre Wutanfälle und schließlich ihre unerwartete Kapitulation hatten sein Interesse wachgehalten. Inzwischen hatte er sich an sie gewöhnt, und obwohl er es sich nicht erklären konnte, freute er sich, wenn er bei der Rückkehr von seinen ausgedehnten Expeditionen ihre zierliche Gestalt auf dem Diwan liegen sah. Er brauchte sie. Nie hätte er gedacht, daß eine Frau ihn eines Tages so unglaublich faszinieren würde. Und sie hatte nicht nur seine Umgebung verändert, sondern auch ihn selbst.
Nun stand zum erstenmal ein Schatten zwischen Ahmed und dem Mann, dessen Freundschaft ihm alles bedeutete, seit er als fünfzehnjähriger Junge unter den Einfluß des drei Jahre älteren Franzosen geraten war. Am Abend nach Raouls Ankunft hatte ihn heftige Eifersucht ergriffen. Und nun plagte sie ihn unablässig. Er hatte gehofft, seine europäische Bildung würde ihm helfen, die schwierige Situation zu meistern. Aber sein tiefverwurzeltes orientalisches Wesen siegte über den zur Schau getragenen Gleichmut. Er mißgönnte seinem Gast jedes Wort, das Diane an ihn richtete, jeden Blick, den sie ihm schenkte.
Nur Ahmeds Stolz hatte an diesem Morgen einen Streit mit dem Vicomte verhindert. Nur zögernd war er davongeritten, und sein kalter Zorn, der mit jeder Stunde wuchs, hatte ihn früher als beabsichtigt heimwärts getrieben. Der halsbrecherische Galopp überraschte sogar seine Männer. Daß Raoul, in seine Arbeit versunken, allein am Schreibtisch saß, zerstreute seinen quälenden Verdacht zum Teil. Doch als Ahmed in den Nebenraum eilte und Diana zu seiner Enttäuschung nicht vorfand, wich seine Vorfreude einer jähen Sorge. Angesichts des leeren Schlafgemachs war ihm plötzlich klargeworden, wieviel ihm das Mädchen bedeutete. Die Angst war ihm deutlich anzusehen.
Er trat vor den Eingang und klatschte in die Hände. Sofort eilte ein Diener herbei, dem er einen Befehl erteilte. Dann wartete er, die Fäuste in den Falten seines Burnus vergraben und eine Zigarette zwischen den Zähnen, die er anzuzünden vergaß. Saint Hubert gesellte sich zu ihm. «Was glaubst du?» fragte er unsicher.
«Leider weiß ich nicht, was ich glauben soll.»
«Schwebt sie in ernsthafter Gefahr?»
«In der Wüste lebt man immer gefährlich - vor allem, solange dieser Schurke sein Unwesen treibt.» Mit einer ungeduldigen Geste wies Ahmed nach Süden.
Saint Hubert holte tief Atem. «Oh, mein Gott - du fürchtest doch nicht...»
Aber der Scheich zuckte nur die Achseln und wandte sich an Yusef, der mit einem halben Dutzend Männer herbeigekommen war. Nach einem kurzen Gespräch und einigen knappen Anweisungen liefen die Leute in verschiedenen Richtungen davon, während Ahmed Ben Hassan seinem Freund erklärte: «Heute vormittag wurden Diane und ihre Eskorte von drei Spähtrupps im Süden beobachtet. Aber natürlich sah niemand einen Anlaß, sich zu vergewissern, ob sie auch zurückgekehrt ist. In etwa zehn Minuten brechen wir auf. Kommst du mit? Gut! Ich habe Verstärkung ins

Weitere Kostenlose Bücher