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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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zu diskutieren schienen.
    Das alltägliche Leben. Warum konnten Jette und Merle sich damit nicht zufrieden geben? Was reizte sie so sehr an der Gefahr?
    Bert zahlte und fuhr weiter, lauter Fragen im Kopf. Sie gehörten zu seinem Job wie das Klinkenputzen, die Morgenbesprechungen und die Presseschelte. Es war sein Los, ständig auf der Suche nach Antworten zu sein. Und nach der Wahrheit.
    Nur wenn er seine Sache sehr gut machte und das nötige Quäntchen Glück hinzukam, fand er sie. Die Wahrheit. Um die sein Leben kreiste.
     
    Marlene Kronmeyer nahm die Nachricht vom erneuten Verschwinden ihrer Tochter erstaunlich gefasst auf. Sie machte Bert keine Vorwürfe, brach nicht in Tränen aus, schrie ihn nicht an. Sie hatte wochenlang in Sorge gelebt und daran hatte sich im Grunde nichts geändert.
    Etwas anderes schien sie zu beschäftigen. Sie wirkte übernächtigt und nervös und blickte bei jedem Geräusch, das von draußen hereindrang, zum Fenster. Als ob sie auf jemanden wartete.
    Bert versprach ihr, alles zu tun, um Mina zu finden.
    »Und jetzt«, sagte er, »würde ich gern Ben zu unserem Gespräch bitten.«
    Ihre Wangen, die sich während der Unterhaltung leicht gerötet hatten, verloren jäh die Farbe. Ihr Blick kehrte unwillkürlich zum Fenster zurück, und Bert begriff, auf wen sie wartete. So sehnsüchtig, so verzweifelt, dass es nur eine Erklärung gab.
    »Er ist fort?«
    Sie nickte. Ihr Kinn bebte. Doch es kamen keine Tränen.
    Bert wusste, dass es einen Kummer gab, der zu gewaltig war für Tränen. Aber er konnte Marlene Kronmeyer nicht schonen. Noch nicht.
    »Wohin ist er gegangen?«
    »Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme klang brüchig und matt. »Er hat gepackt und ist mit dem Lieferwagen auf und davon.«
    Bert zog sein Notizbuch aus der Tasche.
    »Wagentyp? Farbe? Kennzeichen?«
    Mit großen Augen sah sie ihn an.
    »Warum? Ben hat den Wagen nicht gestohlen. Er darf ihn benutzen, wann immer er will.«
    »Reine Routine«, beruhigte Bert sie, wie er das auch schon bei Frau Stein getan hatte. Wie leicht ihm der Polizeijargon über die Lippen kam, wenn er sich davor drücken wollte, unbequeme Wahrheiten zu verkünden.
    Marlene Kronmeyer gab bereitwillig Auskunft, und Bert erfuhr, dass Ben schon seit dem vergangenen Abend verschwunden war. Er habe nur ein paar Sachen mitgenommen.
    »Er war sehr zornig«, sagte sie.
    »Hatten Sie Streit?«
    »Nein. Wir haben nie gestritten. Er war immer ein guter Junge.«
    So positiv hatte sie sich über ihre Tochter nicht geäußert. Bert registrierte das ebenso, wie er bemerkte, dass sie unter der Trennung von Ben mehr zu leiden schien als unter der von Mina.
    Armes Mädchen, dachte er und fragte sich, ob Marlene Kronmeyer auch ihre Zuneigung so ungleich zwischen den Kindern aufgeteilt hatte.
    »Dann wissen Sie nicht, warum er zornig war?«
    »Dieses Mädchen hat ihn gereizt.«
    Bert wurde hellhörig.
    »Welches Mädchen?«
    »Eine Freundin von Mina. Sie … hat mir ihren Namen genannt, aber ich habe ihn vergessen.«
    »Jette?« Er wagte die Namen kaum auszusprechen. »Merle?«
    »Jette.« Sie lächelte erleichtert. »Ja. So hieß sie.«
    »Was wollte sie?«
    »Sie hat mir Grüße von Mina ausgerichtet. Und dann ist Ben dazugekommen.«
    Marlene Kronmeyer stand auf und ging zum Fenster. Sie schaute auf den Hof.
    »Er hat sie hinausgeworfen.«
    »Aus welchem Grund?«
    Sie knipste ein welkes Blatt von dem russischen Wein ab, der über die Fensterbank rankte, und zerbröselte es zwischen den Fingern.
    »Eifersucht?« Sie drehte sich zu Bert um. »Ich weiß es nicht.«
    Teilchen des zerriebenen Blatts rieselten zu Boden.
    »Er hat gesagt, er will Minas Namen nie wieder hören.«
    »Er hat …«
    »Nein. Er hat es geschrien.« Sie betrachtete ihre Hände, als wunderte sie sich darüber, dass sie jetzt leer waren. »Was hat Mina ihm bloß getan?«
    Das fragte Bert sich auch. Was hatte Mina dem Jungen, mit dem sie aufgewachsen war, angetan? Was konnte so schlimm sein, dass er nicht mal mehr ihren Namen hören wollte?
    Plötzlich hatte er es eilig, sich zu verabschieden. Er musste eine Weile mit sich und seinen Gedanken allein sein.
     
    Ben war schon immer mit wenig Schlaf ausgekommen. Eine Stunde, und er fühlte sich wie neugeboren. Er hatte früh gelernt, sich nicht zu tief in den Schlaf fallen zu lassen. Die Fähigkeit, beim kleinsten Geräusch sofort aufzuwachen, hatte ihn oft vor bösen Überraschungen bewahrt.
    Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Es fiel ihm immer

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