Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
ahnte, dass sie schon eine Menge hatte verkraften müssen. Und genau das verband sie mit einem Mädchen wie Merle, der es nicht mehr ausreichte, im gesellschaftlich erlaubten Rahmen Tierschutz zu betreiben, die schnurstracks den Weg in die Radikalität gegangen war.
    So eine hatte die Wahrheit verdient, und Bert beschloss, keine ausweichenden Floskeln zu verwenden.
    »Ich fürchte, ja.«
    Sie presste ihre Finger so stark zusammen, dass die Knöchel weiß und spitz hervortraten.
    »Merle, ihre Mitbewohnerin und eine Freundin haben ihre Wohnung überstürzt und offenbar unter Druck verlassen.«
    »Dann gibt es aber doch noch Hoffnung.«
    Ihre Finger entspannten sich. In ihrem Beruf gab man nicht auf, solange noch ein Funke Hoffnung am Horizont zu erkennen war.
    »Wir werden alles tun, um sie zu finden«, versprach Bert, bedankte sich für den Tee und stand auf.
    »Ach, Frau Donkas. Jemand müsste sich um die beiden Katzen der Mädchen kümmern. Sie sind sehr scheu. Würden Sie …«
    »Selbstverständlich.«
    »Danke. Ich werde einen Beamten vorbeischicken, der sie Ihnen bringt.«
    Wieder empfingen ihn die Hunde mit ohrenbetäubendem Bellen. Bert senkte den Kopf. Er verließ das Gelände des Tierheims mit schnellen Schritten. Die Stimmen der Tiere verfolgten ihn bis zu seinem Wagen. Genau so wie sein schlechtes Gewissen.
    Er ließ den Motor an, suchte nach einem Sender, der Musik brachte, und drehte den Ton so weit auf, dass nichts anderes mehr seine Ohren erreichte.
     

Kapitel 22
    »Denk dran, dass ich deine Freundinnen habe«, hatte Ben gesagt. Dann hatte er sie in das kleine Zimmer geschubst und die Tür von außen abgeschlossen.
    Es roch nach Nässe und Schimmel.
    Kein Laut war zu hören.
    Und sie war eingesperrt.
    Mina öffnete den Mund und schrie. Erschrak vor ihrer eigenen Stimme. Kauerte sich auf dem Sofa zusammen.
    Und ging fort.
     
    Imke wartete auf der Terrasse. Ein frostiger Wind trieb die toten Blätter vor sich her. Das Tuch, das Imke sich um die Schultern gelegt hatte, reichte nicht aus. Ihr war kalt und ihr war elend zumute. Der Bussard war noch immer nicht zurückgekommen.
    Sie wusste, was das bedeutete. Ihre Tochter war in Gefahr. Da konnten die Skeptiker, Tilo allen voran, die Nase rümpfen, so viel sie wollten - es bestand eine Verbindung zwischen dem Vogel und Jette. Früher hatten die Menschen so etwas erkannt.
    Lange her, dachte sie. Die Menschen haben ihr Wissen um diese Dinge verloren. Sie können nicht mehr glauben. Akzeptieren nur noch, was für sie erklärbar ist. Sie wickelte sich  das Tuch fester um die Schultern. Blinzelte in den grauen Himmel.
    Komm zurück!
    Als sie den Wagen des Kommissars hörte, ging sie langsam ums Haus herum. Er hätte sich die Mühe nicht zu machen brauchen, jetzt, wo es sowieso zu spät war. Aber natürlich war er nicht zu ihr herausgefahren, um sie über Jettes Verschwinden zu informieren. Er sammelte selbst Informationen. Es gehörte zu seiner Routine.
    Und dann stand er vor ihr und nahm ihre Hand.
    »Es tut mir so leid.«
    Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten, aber es gelang ihr nicht.
    »Entschuldigung. Es ist nur … ich …«
    Ohne ein Wort zog er sie in seine Arme und hielt sie fest. Ihre Hände irrten über seine Brust und fanden dann Halt am Kragen seiner Jacke. Ihre Tränen versickerten in dem dunklen, weichen Stoff.
    Mikrofaser, dachte sie und war entsetzt über sich selbst, weil sie noch in einem solchen Moment Beobachterin war.
    Er bewegte sich nicht, stand nur still da und hielt sie. Vielleicht merkte er, wie sich die Verzweiflung in ihr sammelte, aber er zeigte es nicht. Und als sie ihn fester am Kragen packte und ihn schüttelte, da ließ er es einfach geschehen.
    »Warum haben Sie nicht auf meine Tochter aufgepasst?«, schrie sie ihn an. »Warum haben Sie Mina nicht woanders untergebracht? Warum?«
    Er zog ein Taschentuch hervor und tupfte ihr behutsam die Tränen ab.
    »Ich werde die Mädchen finden«, sagte er leise. »Ich verspreche es.«
    Imke ließ ihn los. Er war Polizist, kein Seelentröster. Wie hatte sie so die Fassung verlieren können? Und obwohl sie  sich danach sehnte, sich wieder an ihn zu lehnen, wich sie zurück.
    »Bestimmt haben Sie Fragen«, sagte sie distanziert. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
     
    Er hatte uns von Mina getrennt, ein geschickter Schachzug, um uns ruhig zu halten. Sehr wirkungsvoll hatte er wieder mit dem Messer gespielt. Doch die Müdigkeit hatte wie eine Maske auf seinem Gesicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher