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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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sich verzogen. Es war nur noch ein leises Grummeln zu hören. Die Luft war wieder klar und sauber. Das Zwielicht hatte zaghaftem Sonnenschein Platz gemacht.
    »Irgendjemand hat es getan«, sagte er. »Irgendwer hat Dietmar Kronmeyer ermordet, und zwar auf eine äußerst brutale Art und Weise.«
    An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ich werde ihn finden. So oder so.«
    Während er zu seinem Wagen ging, ohne auf die Pfützen zu achten, machte er sich klar, dass er damit ein Versprechen gegeben hatte. Sich selbst, dem Toten und dem Mörder.
     

Kapitel 9
    Mina hatte sich in Mikes Zimmer eingerichtet und wohnte mit uns zusammen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Aber immer wieder blitzte etwas Fremdes an ihr auf, das Merle und mich daran erinnerte, dass dies hier nicht der normale Alltag war. Auch wenn wir es gern anders gehabt hätten - von einer Sekunde zur nächsten konnte das filigrane Netz aus Hoffnung und Zuversicht, das uns vor einem Sturz schützen sollte, zerreißen.
    Donna und Julchen hielten sich gern in ihrer Nähe auf und behandelten Mina wie eine Artgenossin. Sie schliefen in ihrem Bett, fraßen ihr aus der Hand und verständigten sich mühelos mit ihr.
    Mina ihrerseits zeigte im Umgang mit den Katzen eine geradezu schlafwandlerische Sicherheit. Wenn sie mit ihnen redete, tat sie das mit Lauten, Gesten und Berührungen, die von den Katzen auf Anhieb verstanden wurden. Fast war es, als würde sie in manchen Augenblicken selbst zu einer Katze.
    Doch dann gab es Momente, in denen Donna und Julchen das Weite suchten und es vermieden, Mina nahe zu kommen. Momente, in denen Mina eine andere wurde. So plötzlich und so unbegreiflich, dass es Merle und mir die Sprache verschlug.
    »Und wenn sie ihren Vater doch ermordet hat?«, hatte Merle mich am Tag zuvor gefragt. »Würde das nicht das Auf und Ab in ihrem Verhalten erklären?«
    »Sie steht unter einem ungeheuren Stress«, hatte ich geantwortet. »Stell dir doch nur vor, wie das sein muss, seinen Vater auf so grauenvolle Weise zu verlieren.«
    »Aber wieso beharrt sie darauf, ihn umgebracht zu haben?«
    Das verstand ich auch nicht. »Vielleicht hat sie einen Schuldkomplex. Aus irgendeinem Grund ist sie schließlich Tilos Patientin geworden.«
    Tilo hatte uns gebeten, Mina nicht auf ihre psychischen Probleme anzusprechen. Der Impuls zu einer solchen Unterhaltung sollte unbedingt von ihr selbst ausgehen. Es war nicht einfach, das durchzuhalten.
    »Und Tilo wird ihr helfen, ganz bestimmt.« Merle hatte mich flehend angesehen. Als erwartete sie Trost von mir. Und Bestätigung.
    Ich hatte genickt. Mein Vertrauen in Tilo war groß. Er hatte es noch nie enttäuscht.
    An all das musste ich denken, als ich meine Sachen packte, um zum Dienst zu fahren. Merle hatte bei Claudio übernachtet und würde später kommen. Deshalb wollte ich noch auf Tilo warten. Wir hatten uns darauf geeinigt, Mina nicht allein zu lassen, wenn es sich vermeiden ließ. Sie war mit ihren Stimmungsschwankungen unberechenbar und fürchtete sich manchmal sogar vor den Schatten in ihrem Zimmer.
    Tilo kam täglich vorbei, um mit Mina zu arbeiten. Weiß der Himmel, wie er das einrichtete. Er musste seinen gesamten Behandlungsplan umgestellt haben. Mina war ihm wichtig. Seine Blicke verrieten es, seine Behutsamkeit. Die goldene Regel, sein Privatleben nicht mit seinem Beruf zu vermischen, galt nicht mehr. Früher hätte er das unprofessionell genannt.
    Mina hatte noch nicht gefrühstückt. Es konnte passieren, dass sie das Essen vergaß. Oder das Reden. Manchmal saß sie  stundenlang einfach nur da. Mit leerem Gesicht, die Hände im Schoß. Als wäre in ihr keine Regung, kein Gefühl.
    Dann wieder brach sie vollkommen unerwartet in Tränen aus. Oder sie tobte vor Wut. Und ab und zu war sie von einer Kälte, die uns frösteln ließ.
    Merle und ich wussten nicht, wie wir uns in solchen Augenblicken verhalten sollten.
    »Hört auf euren Instinkt«, hatte Tilo gesagt. »Ihr seid keine Psychologen. Ihr seid Minas Freundinnen. Und genau das ist es, was sie braucht - Freundinnen. Für die Therapie hat sie mich.«
    Leichter gesagt als getan. Er wurde ja nicht von Minas Schreien geweckt, wenn sie träumte. Er spürte nicht die Beklemmung, die uns manchmal in Minas Gegenwart überfiel. Und bestimmt hatte er noch nie Angst vor Mina gehabt. Denn auch dieses Gefühl flößte sie uns häufig ein.
    Es gab Momente, in denen sie mir unheimlich war.
    »Ist Tilo noch nicht da?«
    Mina setzte

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