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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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rangenommen als jeden andern.«
    »Rangenommen?«
    »Ben war alles in einer Person. Sohn. Nachfolger. Mädchen für alles. Schuhabtreter. Blitzableiter. Sekretär. Hoffnung und Enttäuschung. Die Strafen, die der Vater sich für Ben ausdachte, waren barbarisch. Aber Ben hat nie geklagt. Er hat das alles auf sich genommen.«
    Sogar Marius konnte die Stimme versagen. Er verschwand.
    »Allerdings war Ben reichlich naiv.«
    Cleo. Sie hatte so ihre Schwierigkeiten mit Marius. Ähnlich wie mit Ben. Für Cleo war alles eine Frage der Planung. Und der Konsequenz. Sie ärgerte sich über Wehleidigkeit oder Spontaneität. Bei ihr hatte sich alles der Vernunft unterzuordnen, und wenn das nicht geschah, versuchte sie, es zu erzwingen.
    »Naiv? Wie meinst du das?«
    »Jeder Mensch hat die Möglichkeit zur Entscheidung: Will er Hammer oder Amboss sein? Dazwischen gibt es nichts. Gar nichts. Ben hat sich zum Amboss machen lassen. Dabei verfügte er über Kraft genug, sich aufzulehnen. Er war schwach.«
    Cleo verabscheute Schwäche. Aber sie liebte Ben. Das stürzte sie in einen unlösbaren Konflikt.
    »Er hat mehr gelitten als wir alle zusammen. Dabei war es völlig umsonst. Er hat sich aufgeopfert, ohne uns helfen zu können.«
    Es war selten, dass Cleo die Tränen kamen. Sie ignorierte das Taschentuch in Tilos Hand.
    »Aber er hat es immer wieder versucht, nicht wahr?«
    »Ja. Immer und immer wieder. Wir waren wie Geschwister. Eine verschworene Gemeinschaft. Es gab keine Geheimnisse zwischen uns.«
    »Hat Ben … euch alle gekannt?«
    »Nein. Ben würde an so was wie eine multiple Persönlichkeit nicht glauben. Ben glaubt an Gott, an das Leben, an Treue, Freundschaft und daran, dass er und Mina zusammengehören, aber er weiß nicht, wer Mina ist.« Sie schluckte. »Wir haben es ja selbst lange Zeit nicht glauben können.«
    Tilo schaltete das Aufnahmegerät aus. Er reckte sich. Wie gern würde er sich mit Ben unterhalten. Vielleicht wäre er ja in der Lage, dem Team ein wenig Sicherheit zu verschaffen.  Doch Tilo konnte sich nicht an Ben wenden, ohne Minas Zufluchtsort preiszugeben. Immerhin war sie gegangen. Ohne Ben.
    Auch das war ein Punkt auf Tilos Liste der ungeklärten Fragen. Mina hatte ihr Elternhaus verlassen. Verständlich. Aber wieso hatte sie Ben nicht eingeweiht, ihren Vertrauten, den Einzigen, der immer zu ihr gehalten hatte?
     

Kapitel 13
    Sorgfältig verschloss Merle die Tür zum Büro. Erst neulich war eingebrochen worden. Die Diebe hatten die Kasse mitgehen lassen, die beiden Computer und sogar das Telefon. Für das Tierheim mit seiner chronisch angespannten Finanzlage war das eine Katastrophe. Das Geld wurde für dringende Anschaffungen gebraucht, für die ständigen Renovierungsarbeiten, die Berge von Futter und die immensen Arztkosten.
    Die Bürotür war jetzt mehrfach gesichert, ebenso wie das Eingangstor, aber es gab noch immer keine Alarmanlage und nach diesem Einbruch war sie für lange Zeit unerschwinglich geworden.
    Wer wusste besser als Merle, wie leicht ein Einbruch zu bewerkstelligen war? Sie war schon so oft in Versuchslabore eingedrungen, die besser abgesichert gewesen waren als eine Bankfiliale. Zum ersten Mal konnte sie nachvollziehen, wie den Menschen zumute sein musste, die sich auf der anderen Seite befanden. Bei der Befreiung der Versuchstiere wurden kostspielige Anlagen beschädigt, die Forschungsarbeit von Jahren wurde auf einen Schlag vernichtet.
    »Aber nichts rechtfertigt die Qualen der Tiere«, murmelte Merle und dachte schaudernd an die grausamen Fotos von Kaninchen, an deren empfindlichen Augen Shampoos und Make-up getestet wurden. Mühsam wehrte sie den Ansturm all der anderen schrecklichen Bilder ab, die ihr Gehirn gespeichert hatte. Die Schmerzen, die den Tieren zugefügt wurden, ertrug sie nicht einmal in der Vorstellung.
    Zärtlich verabschiedete sie sich von Smoky, der ihr über den Hof gefolgt war, und trat auf die Straße hinaus. Sie verschloss auch das Tor und verstaute gerade die Schlüssel in ihrer Tasche, als sie ein Rascheln im Strauchwerk bei den Fahrradständern hörte. Sie blieb reglos stehen und horchte, doch das Geräusch wiederholte sich nicht.
    Wahrscheinlich ein Vogel, beruhigte sie sich. Tauben beispielsweise konnten einen ziemlichen Lärm veranstalten und es gab eine wahre Taubenplage hier in der Gegend.
    Sie beugte sich über das Fahrradschloss und erstarrte.
    Ein Blick berührte sie an der Schulter.
    Merle bekam kaum Luft. Die Angst blockierte ihre Lungen

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