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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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du dir vorstellen, dass es Scharlatane gibt, die ihren Patienten suggerieren, multipel zu sein? Es werden immer wieder solche Fälle aufgedeckt.«
    Bert fand es sympathisch, wie sie sich in Rage redete. Sie hatte eine klare Meinung, was Recht und Unrecht betraf. Deshalb befand sie sich als Polizeipsychologin genau am richtigen Platz.
    »Hältst du es auch für möglich, dass ein Patient DIS simuliert?«
    »Unbedingt. Es gibt in diesem Bereich keine klar umrissenen Grenzen. Das macht es so schwierig. Aber wieso willst du das so genau wissen?«
    Bert hatte ihr von der Begegnung mit Mina berichtet. Er  hatte seine Notizen zu Hilfe genommen und ihr die unterschiedlichen Persönlichkeiten vorgestellt. Hatte ihr das Tagebuch gezeigt und ihr demonstriert, dass sich darin mehr als zehn Handschriften unterscheiden ließen. Anschließend hatte er Isa fragend angesehen.
    »Nach allem, was ich hier sehe, glaube ich nicht, dass sie simuliert«, sagte sie. »Aber du solltest einen Experten zu Rate ziehen. Und das möglichst bald.«
    Zwei Morde. Eine multiple Verdächtige, die sich in beiden Fällen während der fraglichen Zeit am Tatort befunden hatte und freimütig zugab, die Toten gehasst zu haben. Ein religiöser Zirkel, dessen Mitglieder ebenfalls nicht gut auf die Ermordeten zu sprechen waren. Eine Witwe, die nicht um ihren Mann zu trauern schien. Und ein junger Mann, der sich der Gewalt beider Opfer nicht entzogen hatte, obwohl er es hätte tun können.
    Bert hatte wirklich schon einfachere Fälle gehabt. Nachdenklich hatte er Isa zur Tür begleitet und war wieder an seinen Schreibtisch zurückgekehrt. Und da saß er immer noch und ließ den Vormittag in Gedanken Revue passieren.
    Von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden, hatte Tilo Baumgart offen über seine Patientin und die Therapie gesprochen. Er hatte Bert die einzelnen Persönlichkeiten beschrieben und ihm das Team erklärt. Bert hatte mit einer Mischung aus Faszination und Skepsis zugehört.
    Nachdem Cleo verschwunden war, hatte sich die Gastgeber -Persönlichkeit gezeigt, eine ängstliche, verwirrte junge Frau, die vorgab, keinerlei Erinnerung an die vergangene Nacht zu haben.
    Der Übergang hatte Bert schockiert. Ein Neigen des Kopfes nur, und völlig veränderte Augen hatten ihn angeschaut, eine ganz andere Stimme hatte ihm geantwortet.
    Merle hatte sich im Hintergrund gehalten, solange Cleo anwesend war. Bert hatte den Eindruck gewonnen, als fürchtete sie sich vor ihr.
    Erst nachdem Cleo sich zurückgezogen hatte, war Merle aufgetaut. Sie war näher an das Mädchen herangerückt, hatte ihr über den Arm gestrichen oder ihre Hand gehalten. Ihre Fürsorglichkeit hatte Bert überrascht. Merle war immer so sehr darum bemüht gewesen, abgebrüht zu erscheinen.
    »Und Jette und Merle?«
    Diese Frage hatte Bert sich bis zum Schluss aufbewahrt. Er stellte sie Tilo Baumgart, als er sich an der Tür von ihm verabschiedete. Mina sollte sie nicht hören. »Sie als Fachmann müssen doch gewusst haben, welchem Risiko Sie die Mädchen aussetzen.«
    »Es gibt Entscheidungen, die man nicht mit der Vernunft treffen kann, Herr Kommissar.«
    Wem sagte er das. Bert hatte unwillkürlich gelächelt. In diesem Moment hatte Tilo Baumgart den Blick gesenkt.
    Bert holte seine Gedanken zurück. Er blickte zum Fenster. Es war ein trüber, trostloser Tag gewesen und die Dämmerung sickerte schon ins Zimmer. Wenn er jetzt gleich aufbrach, würde er es endlich einmal schaffen, pünktlich zum Abendessen zu Hause zu sein. Er griff zum Telefon.
    »Ich mache mich in fünf Minuten auf den Weg«, sagte er, nachdem Margot sich gemeldet hatte.
    »In Ordnung«, antwortete sie.
    Nur diese beiden Worte.
    Ein bisschen wenig, dachte Bert, nach all den Jahren. Er räumte mit Schwung seinen Schreibtisch auf und pfiff dabei eine Melodie, die ihm schon den ganzen Tag im Kopf herumspukte. Ein wirksames Mittel gegen das Gefühl tiefer Frustration.
    Früher hätte er es Traurigkeit genannt.
     
    Ich hatte mir das Haus, in dem Mina aufgewachsen war, anders vorgestellt. Größer. Dunkel. Und bedrückend. Es war aber ein ganz normales Siedlungshaus, wie alle andern in der Straße auch. Schon etwas älter, hell verputzt und mit kurzen weißen Häkelgardinen an den Fenstern. Der Vorgarten war mit immergrünen Büschen bepflanzt, zwischen denen eine altersschwache Holzbank stand, auf der sich eine Tonkatze räkelte.
    Durch ein Tor betrat man einen gepflasterten Hof mit einer mächtigen Korkenzieherweide, unter

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