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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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war, hatte Merle beschlossen, ein bisschen aufzubleiben und nachzudenken.
    Und hier saß sie nun und dachte an Claudio und verwünschte sich dafür. Fast hatte er den Abend ruiniert mit seiner blödsinnigen Eifersucht. Sollte er doch zu seiner Verlobten nach Sizilien abdampfen! Und Merle mit seinen mittelalterlichen Besitzansprüchen in Frieden lassen.
    Sie schüttelte ihren Ärger ab und schaltete den Computer ein. Schlaf würde sie jetzt sowieso nicht finden, also konnte sie ebenso gut schon mal ein paar Dinge vorbereiten. Zum Beispiel den Brief.
    Lieber Tilo, tippte sie, wenn Sie diesen Brief erhalten, sind wir nicht mehr in Bröhl.
    Klang das nicht ziemlich abgedroschen und reichlich dramatisch? Sie löschte die Zeile und nahm einen zweiten Anlauf.
    Lieber Tilo, wir haben beschlossen, Mina von hier wegzubringen. Sie ist einem Verhör noch nicht gewachsen. Vor allem hat sie schreckliche Angst, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden.
    Sie haben getan, was Sie konnten. Deshalb werden wir das ab jetzt allein durchziehen. Sobald Minas Erinnerung an die Morde zurückgekehrt ist, werden wir uns melden. Versprochen.
    Bitte verzeihen Sie uns!
    Merle überflog den Text noch einmal. Gut so. Jeder Satz mehr konnte zu viel verraten. Sie würde den Brief jetzt ausdrucken und an Tilo adressieren und dann noch einmal ins Bett kriechen. Jette würde nach dem Frühstück den Schlüssel von dieser Frau Sternberg holen und spätestens um acht wären sie auf der Autobahn.
    Sie hatte gerade den Befehl zum Drucken gegeben, als Donna flach wie ein Schatten ins Zimmer gehuscht kam und unterm Regal verschwand. Merle wartete darauf, dass Julchen begeistert hinterhergeschossen käme, denn die Katzen jagten einander leidenschaftlich gern, doch Julchen ließ sich nicht blicken.
    Und dann fing Donna an, aus tiefster Kehle zu knurren.
    Merle hatte eigentlich keine Lust, Katzenstreit zu schlichten. Trotzdem beugte sich sich zu Donna hinunter.
    »Was ist los, Süße? Hat Julchen dich geärgert?«
    Donnas Knurren wurde lauter. Sie hatte die Ohren angelegt und starrte zur Tür. Und plötzlich wusste Merle, dass jemand in der Wohnung war.
     
    Früher hatte Tilo immer und überall schlafen können. Das war schon lange nicht mehr so. Ein falscher Gedanke vorm Einschlafen, und er konnte die Nacht vergessen.
    Am schlimmsten war das Grübeln. Und dass die Probleme sich in schlaflosen Nächten ins Uferlose dehnten.
    Nachts verlor das Leben seinen Sinn.
    Auch in dieser Nacht wälzte er sich hin und her. Er hatte es sogar mit Yoga versucht, doch er war nicht zur Ruhe gekommen. Ständig hatte er Minas Gesicht vor Augen. Wenn sie doch nur ein bisschen mehr Zeit gehabt hätten. Er war davon überzeugt, dass die Therapie bald in eine neue Phase getreten wäre. Nur ein klein wenig mehr Zeit hätten sie gebraucht.
    Er fühlte sich schuldig. Als hätte er Mina verraten. Und wusste doch, dass er sich nicht anders hatte verhalten können. Der Kommissar war kein Unmensch. Vielleicht würde er ja durchsetzen, dass Tilo Mina zunächst einmal weiterhin therapieren durfte. Es würde Gutachten geben. Man würde Experten zu Rate ziehen. Aber vielleicht durfte Tilo mit dabei sein. Er wünschte es sich sehr.
    Cleo hatte sich von ihm abgewandt. Das hatte er akzeptiert. Sie musste sich erst ein Bild machen von der Situation. Möglicherweise würde sie ihn verstehen. Später. Cleo war eine kluge Persönlichkeit. Ihretwegen war er nicht besorgt.
    Was ihn beunruhigte, war etwas anderes. Die kürzlich neu aufgetauchte Persönlichkeit war stärker geworden. Sie verteidigte das Verhalten des Vaters und redete von Sühne und Schuld. Was, wenn sie die Oberhand bekam? Welchen Einfluss auf das Team besaß sie bereits jetzt?
    Stöhnend richtete er sich auf, zog sich im Dunkeln an und ging in den Wintergarten. Arbeit war ein ausgezeichnetes Mittel, um sich abzulenken. Und es gab genug zu erledigen. Er hatte seine übrigen Patienten lange genug vernachlässigt. Da war jede Menge aufzuarbeiten.
    Wenig später saß er am Tisch, konzentriert über seine Bücher gebeugt.
    »Kannst du nicht schlafen?«
    Tilo hatte Imke nicht hereinkommen hören und zuckte zusammen.
    »Nein. Und du?«
    »Ich bin von irgendeinem Geräusch aufgewacht. Seitdem rasen mir die Gedanken nur so durch den Kopf.«
    Tilo mochte ihr Gesicht, wenn es ungeschminkt war. Sie sah dann jung und verletzlich aus, besonders in der Nacht.
    »Ich möchte, dass du mir alles über dieses Mädchen erzählst.«
    Sie setzte sich zu ihm

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