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Der Schichtleiter

Titel: Der Schichtleiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Seinfried
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nie auf sein Handy schaut! Jetzt mal ehrlich, warum mache ich mir hier eigentlich Gedanken über einen Freund, den es gerade gar nicht gibt? Ich bin echt sauer. Was natürlich albern ist im Angesicht der Schuld, die ich auf mich geladen habe. Aber Gefühle kümmern sich ja gemeinhin einen Dreck um Logik.
    Ich liege und liege und denke und denke. Allmählich kristallisiert sich sogar eine Lösung für mein Problem heraus. Die Idee, Benny aus der Firma zu entfernen, war voll daneben. Auf so einen Schrott konnte ich auch nur kommen, weil Benny mich ständig zur Weißglut gebracht hat. Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass das alles Absicht war, um mich in diese Falle zu locken. Werner war schon immer komisch gewesen. Ich glaube, dass es ihn total angekotzt hat, dass ich ihm die vergangenen Semester so geschickt ausgewichen bin. Tja, nun hat er mich. So kurz vor der Rente kann man ja mal was riskieren … Und ich Trottel trample natürlich rachsüchtig und latent notgeil in die Scheiße rein. Aber wenn ich wirklich will, könnte ich morgen zum Personalbüro gehen und erklären, dass ich aus irgendeinem Grund nicht mehr zur Arbeit kommen kann. Das Blöde ist selbstverständlich, dass ich eine zweiwöchige Kündigungsfrist im Vertrag drinstehen habe. Vielleicht kann man das aber anders lösen. Einfach mal fragen. Oder aber ich gehe zum Arzt und lasse mich krankschreiben. Macht der Pelle aus einer der anderen Schichten angeblich auch ständig. Na, wer weiß, vielleicht hat er ja ebenfalls triftige Gründe dafür?
    Bei all den Überlegungen gibt es nur einen Haken: mich selbst. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann lassen sich all die Gegenargumente irgendwie ausschalten. Natürlich wäre es nicht angenehm, meinem Vater zu erklären, dass ich meinen Ferienjob abbreche und wieder zurückfahre. Ich seh schon vor mir, wie meine Mutter heult, weil sie das nicht versteht. Aber immer noch besser wegen sowas, als wenn es einen großen Sexskandal gibt. Und egal wie, aber irgendwie könnte ich das auch auf der Arbeit durchboxen. Zur Not vielleicht das Spielchen noch zwei Wochen mitspielen und wenn’s geht, den nächsten Sex so lange hinauszögern … Das Problem ist nur: ich will gar nicht wirklich.
    Es ist nicht nur, dass Marco so weit weg ist – schlecht fühle ich mich ja deswegen trotzdem –, sondern meine Enttäuschung, dass wir wirklich getrennt sind, sobald wir uns nicht mehr sehen. Das habe ich mir ganz anders vorgestellt. Ich meine, wir sind ein Paar, da muss man doch täglich miteinander telefonieren, sich SMS schreiben, fragen, wie es dem anderen geht und ob man ihn anständig vermisst. Ich vermisse Marco tatsächlich! Er mich anscheinend aber nicht, sonst würde er sich ja zumindest mal kurz zwischendurch melden.
    Ich schäme mich ein bisschen, dass ich meine Schuld so auf Marco abwälze, was mich nur wütender macht. Also beschließe ich, ihm eine Mail zu schicken. Mich jetzt gar nicht bei ihm zu melden, nur weil er nicht ans Telefon geht, ist ja ebenfalls nur ein Fluchtreflex. Immerhin hat sich ja gewaltig was verändert in unserer Beziehung und das muss ich schon irgendwie mitteilen. Schreiben lässt sich das dann auch noch besser, als es persönlich am Telefon zu besprechen. Ich weiß ganz genau, dass ich erst kein Wort rausbekommen, lange herumdrucksen und am Ende heulen würde. Läuft ja doch immer gleich ab, so ein Scheiß.
    Als ich mein Mailfach öffne, sehe ich, dass Marco mir eine Mail geschrieben hat. Die ist von vorgestern. Er liebt mich, hat aber gerade absolut keine Zeit, weil Superstress. Zack! Das ist wie eine Ohrfeige – ach was, Faustschlag! Mitten in die Fresse!
    Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb ich die Mail wieder schließe und mir lieber eine Mail nach der anderen von Lukas anschaue. Der Kerl lässt nicht locker. Das lenkt mich jetzt ganz gut von Marco ab, dass ich mich über Lukas aufregen kann. Und dann passiert das, was ich eigentlich so gar nicht wollte: anstatt Marco schicke ich Lukas eine Mail. Auf sein Geblubber, von wegen, dass ihm das am Bahnhof leid tue und dass er in mich verknallt sei und sich eine Zukunft mit mir vorstellen könne und ich ihm doch bitte eine Chance geben solle, gehe ich gar nicht ein. Für solche Kinkerlitzchen habe ich echt keinen Nerv. Dafür schreibe ich ihm ellenlang, was ich hier für einen Scheiß baue und dass ich nie wieder zurückkommen kann.
    Danach geht’s mir besser. Ich falle ins Bett wie ein Stein ins Wasser. Platsch und weg!
    In etwa so

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