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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schwieger
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nach Sizilien bringen sollte. Es ist dort nie angekommen.«
    Luis spürte, wie Polifemo, der immer noch den Arm um ihn gelegt hatte, zusammenzuckte. Er schaute zu ihm hinauf. Der Einäugige starrte über das dunkle Meer. Seine Lippen zitterten.
    »Nein«, sagte er so leise, dass Luis ihn kaum verstehen konnte. »Es wurde von Piraten gekapert. Die haben die Männer, die sie am Leben ließen, mit in ihren dreimal verfluchten Unterschlupf genommen und sie wie Sklaven für sich schuften lassen.«
    Luis wusste nicht, ob ihm gerade heiß oder kalt wurde. Er starrte Polifemo an und begriff allmählich, warum ihm die Stimme des Einäugigen immer einen Schauder über den Rücken gejagt hatte. Er brachte kein Wort heraus.
    »Nur einer konnte fliehen«, fuhr Polifemo fort, »nach über zwei Jahren. Bei der Flucht verlor ich mein Auge. Aber dem Kerl, der mir das angetan hat, blieb nicht viel Zeit, seine Untat zu bereuen. Dann ging ich zurück nach Hause, nach Cádiz, wo ich hoffte, meine Frau, aber vor allem meinen lieben Sohn Luis wiederzufinden.
Meinem lieben Sohn Luis
, das steht auf der Rückseite des Kreuzes, nicht wahr? Doch sie waren verschwunden. Ich hab die ganze Stadt nach ihnen abgesucht. Niemand wusste, wohin sie gegangen waren, was aus ihnen geworden war.«
    »Wir waren nach Palos gezogen«, flüsterte Luis. »Wir haben über ein Jahr auf dich gewartet. Wir hielten dich für tot.«
    »Du hast dich unter einem falschen Namen aufs Schiff geschlichen, nicht wahr?« Polifemo legte seinen Arm noch fester um Luis. »Damals, in Palos.«
    »Ja«, sagte er. »Ich wollte nur weg. Weg aus Palos, weg von Juana und ihrem neuen Mann, diesem widerlichen Rodrigo.«
    »Haben sie dich nicht gut behandelt?«
    Luis schüttelte den Kopf. »Ich hab dich vermisst«, sagte er und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. »Das Kreuz hat mich jeden Tag an dich erinnert.«
    »Gut, dass du es getragen hast. Sonst hätte ich dich vielleicht gar nicht erkannt. Du bist größer geworden, ein richtiger Seemann. Und mein Auge ist nicht gerade das beste, wie du weißt.«
    »Das hab ich eben gemerkt«, sagte Luis und lächelte unter seinen Tränen. »Als du ins Boot springen wolltest.«
    Sie hatten die Niña fast erreicht. Von dem leisen Gespräch der beiden hatte niemand auf dem Boot etwas mitbekommen.
    »He«, rief Polifemo plötzlich. »Wisst ihr eigentlich,was für ein Tag heute ist?« Die Männer auf dem Boot schauten ihn verwundert an. Polifemo wartete nicht auf eine Antwort.
    »Heute ist Weihnachten«, rief er so laut, dass auch die Männer auf der Niña ihn hören konnten und neugierig an die Bordwand traten. »Und ich habe gerade ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Meinen Sohn Luis!«
    »Und ich auch«, rief Luis. »Meinen Papa Antonio!«
    »Luis?«, fragte Jacomo und kratzte sich am Kopf. »Antonio? Ihr Strohkopfe musse im Wasser verloren haben die Verstand!«

Triumph
    Es war das schönste Weihnachtsfest, das Luis je gefeiert hatte. Auch wenn das Admiralsschiff verloren war. Auch wenn sie den ganzen Tag schwer arbeiten mussten, um die Vorräte und die Ausrüstung von der Santa Maria an Land zu bringen. Auch wenn sie nicht wussten, wie es mit dem Unternehmen weitergehen sollte, jetzt, da sie nur noch ein Schiff hatten.
    Luis wich den ganzen Tag nicht von der Seite seines Vaters. Es gab so viel zu erzählen. Am Abend nahm Antonio sich den Bart ab und sah wieder fast so aus, wie Luis ihn in Erinnerung hatte. Abgesehen natürlich von der schwarzen Augenklappe.
     
    Anfang Januar tauchte die Pinta wieder auf. Kolumbus und Kapitän Pinzón machten sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Pinzón behauptete, er sei nicht absichtlich davongesegelt, vielmehr hätte er sich im Nebel verirrt. Kolumbus hielt das für eine Lüge, beließ es aber dabei, weil er für die Rückfahrt auf Pinzón und die Pinta angewiesen war.

    Sie blieben drei Wochen auf Haiti und genossen die Gastfreundschaft der Inselbewohner, die den schiffbrüchigen Spaniern halfen, wo sie nur konnten. Da zwei Schiffe nicht genug Platz boten, um alle neunzig Mann zurück über den Ozean zu bringen, meldeten sich insgesamt neununddreißig Freiwillige, die auf Haiti warten wollten, bis Kolumbus mit einer neuen Flotte wiederkommen würde. Luis und sein Vater, Jacomo, Ramon und der Steuermann Peralonso gehörten nicht zu diesen neununddreißig. Sie wollten zurück nach Spanien.
     
    Am 16.   Januar 1493 schließlich gab der Admiral den Befehl, die neue Welt zu verlassen und zurück nach

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