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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Luft um ihn herum flirrte und flimmerte.
    Ich versuchte zu schlucken. Aber ich konnte nicht. Mein Herz schlug so heftig, dass ich glaubte, es würde zerspringen. Doch stattdessen stürzten mit einem donnernden Krachen alle noch verbliebenen Balken des Scheunendachs auf einmal herab. Dann fielen ächzend und stöhnend die Wände in sich zusammen, und Holzsplitter wirbelten in alle Himmelsrichtungen.
    Plötzlich ertönte ein Schrei, und alle Köpfe flogen herum.
    »Du bist verletzt!«, sagte Mellie leise und berührte zärtlich Fishs Wange. In dem blassblauen Lichtschein, der von Rocket ausging, konnten alle sehen, wie Blutstropfen auf Mellies Hochzeitskleid fielen. Mein Cousin war nicht schlimm verletzt, aber seine Wange blutete, von etwas Spitzem getroffen, das durch die Luft gewirbelt war – ein Nagel oder ein Holzsplitter. Fishs Verletzung hätte leicht wesentlich ärger ausfallen können, das war mir sofort klar. Wie gut, dass ich ohnehin schon auf den Knien lag. Denn so konnte ich viel besser ein Dankgebet sprechen.
    Bitsy drückte ihre feuchte Nase unter Moms Arm durch und versuchte, mir große, schlabbrige, beruhigende Hundeküsse zu geben. Aber das Schimmermonster in mir hatte sich ohnehin müde getobt. Die Scheune sah aus wie ein von einem Elefanten platt gesessener Strohhut. Flacher konnte sie nicht mehr werden. Das schreckliche Kribbeln unter meiner Haut war schwächer geworden, das Jucken aus meinen Händen endlich wieder verschwunden.
    »Warum muss es immer mein Gesicht treffen?«, jammerte Fish, als Mellie ihm ein Taschentuch auf die Wange drückte. Ein leichter, durch seinen Schmerz ausgelöster Sprühregen befeuchtete den Kies um uns herum. Doch Fish konnte seinen Schimmer problemlos in Schach halten, und der schwache Regen hörte ebenso schnell wieder auf, wie er eingesetzt hatte.
    Sobald Rocket sicher war, dass es Fish und Mellie gut ging, stürmte er auf mich zu. Er kam so dicht heran, dass sich jedes einzelne Haar auf meinem Kopf und meinen Armen aufrichtete.
    »Du musst vorsichtiger sein, Ledger!«, rief Rocket. »Und du lernst besser ganz schnell, wie das geht!«
    »Und du halt mehr Abstand.« Mein Vater stellte sich zwischen mich und Rocket.
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
    Irgendetwas.
    Entschuldigung zum Beispiel.
    Doch bevor ich auch nur ein Wort herausbrachte, erklang in der Ferne eine Sirene und Rocket drehte sich abrupt um. Die versammelte Menge hielt den Atem an. Niemand konnte den Anblick und den Klang des Streifenwagens missdeuten, der über den Kiesweg auf uns zurumpelte.
    Rocket nahm die Beine in die Hand und rannte in Richtung der Hügel davon. Denn von allen Dingen, die wir dem Sheriff ohnehin nur schwer würden erklären können, stand Rockets hellblaues Leuchten ganz oben auf der Liste. Aber als der Wagen näher kam, erblickte ich da, wo eigentlich die Fahrertür sein sollte, ein klaffendes Loch, und mir wurde klar, dass auch ich selbst einiges aufzuklären hatte.
    Wenn Opa Bomba in diesem Moment stark genug gewesen wäre, die Erde weit aufzutun, auf dass sie mich mit Haut und Haaren verschlang, hätte ich nichts dagegen gehabt.

8
    Wir sahen alle gebannt zu, wie der Sheriff parkte und dem Loch entstieg, das dort klaffte, wo eigentlich eine Autotür hätte sein sollen. Der letzte von der Scheune aufgewirbelte Staub setzte sich und gab den Blick auf die verbeulte silberne Wange des Mondes frei. Die Mulde, in der die Ranch lag, wurde zu einer Patchworkdecke aus Mondschein und wandelnden Schatten.
    Der Sheriff schritt zögerlich auf uns zu. Er hatte den Körperbau eines Profiringers, dessen Blütezeit längst vorbei war und dessen Muskeln zu Wackelpudding geworden waren. Als er eine Taschenlampe herausholte und damit in unsere Richtung leuchtete, ging Onkel Autry auf ihn zu, um ihn abzufangen.
    »Sheriff Brown – Jonas –, was für eine Überraschung!« Autry streckte dem Officer die Hand entgegen und begrüßte ihn wie einen alten Freund.
    »Was zum Kuckuck ist denn hier passiert, Autry? Deine Scheune ist …« Der Sheriff verstummte, nahm den Hut ab und zeigte damit auf die Trümmer.
    »Sie ist eingestürzt.« Autry nickte und warf einen prüfenden Blick auf die Ruine. Dann verschränkte mein Onkel die Arme, schnalzte mit der Zunge und schüttelte dabei den Kopf, als wollte er sagen: Diese Scheunen heutzutage sind auch nicht mehr das, was sie früher mal waren.
    »Ich wusste ja, dass ihr hier heute Abend eine Party schmeißt«, fuhr der Sheriff fort. »Aber ihr

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